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Archiv-Artikel

vorlauf Gaga = total nett

„Verrückt ist auch normal“, 20.15, ARD

Solche Geschichten sind schwierig, keine Frage: Neue Psychiatrie-Insassin findet in der Klapse ihr Glück und heilt nebenbei noch ein paar MitinsassInnen. Ganz so flach kommt „Verrückt ist auch normal“ zum Glück nicht daher. Die Haupt-Psychosendame (Gruschenka Stevens) hat eine interessante Biografie: Bonnie Bergmann war Anfang der 90er ein Schlagerstar.

Ein paar Jahre später wächst ihr das Leben zwischen „allein erziehende Mutter sein“ (Tochter im kritikfähigen Alter), beschämenden Autohaus-Auftritten und Fans, die sie erkennen, über den Kopf. Sie wird wegen ihrer manischen Schübe für vier Wochen in eine Anstalt eingewiesen, in der es von netten, kauzigen Verrückten nur so wimmelt: der dufte Kerl und akzeptable Gitarrist Pluto (Dieter Pfaff) mit seinem inoperablen Gehirntumor, dazu der Bassist Rufus, der an der medienwirksamen Tourette-Unterart „Koprolalie“ (zwanghaftes Obszönitäten-Ausstoßen) leidet. Und Plischka, Songwriter, gut aussehend und Angstpatient, der sich schnell mit Bonnie anfreundet und sie zum Beitritt zu der anstaltseigenen Band „Die Patienten“ überredet.

Vivian Naefes Film erinnert in guten Momenten an seine Vorbilder, an „Einer flog übers Kuckucksnest“ und die wahre Geschichte einer Band aus Insassen und Nichtinsassen, des Hamburger Projekts „Station 17“. Gut sind diese Momente, weil die DarstellerInnen unprätentiös und angenehm spielen, weil – zumindest in der ersten Hälfte – auf allzu kitschige Irrenpoesie verzichtet wird, weil man, obwohl man weiß, dass die Filmanstalt sich meilenweit von echten Anstalten unterscheidet, trotzdem die Absicht erkennt und gutheißen kann: Hier soll eine Geschichte von Toleranz, Anderssein und Problembewältigung erzählt werden. Dass der hervorragende Ansatz der selbstzweifelnden Schlagerdiseuse am Ende in Liebes-, Mutter- und Kitschglück versuppt, ist schade. Vielleicht muss ein Film so enden, vielleicht müssen psychisch Kranke im Öffentlich-Rechtlichen so pflegeleicht präsentiert werden, damit der Film in die Sendezeit passt. Aus dieser Geschichte hätte etwas werden können. Wenn man nur ein bisschen Realität dazugemischt hätte. JENNI ZYLKA