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vorlaufKleidsame blaue Flecken

„Schmerzensbilder – Tätowierer und Tätowierte“ (Arte, 20.15 Uhr)

Es sei wie „ein Tanz auf der Haut“, verklärt ein Hamburger Tätowierer begeistert seinen Beruf. Ein unglaublich schmerzhafter Tanz. Die Nadel mit der Tätowierfarbe sticht so tief, bis es amtlich blutet. „Daran erkennt man, dass es tief genug ist“, erklärt ein anderer Profi.

Die „Schmerzensbilder“, die beim Tätowieren entstehen, sollen einen Lebensabschnitt der Tätowierten repräsentieren, einer will seinen bei Unfällen gestorbenen Freunden ein Denkmal setzen, ein anderer den „Wahnsinn“ nicht vergessen, aus dem er kommt. Ein Altrocker erzählt vom „ ‚H‘ für Heidi, in die war ich so verknallt“. Als es mit Heidi aus war, wurde aus dem „H“ ein Herz mit einem anderen Buchstaben darin, und daraus später eine Rose. Und aus dem „Uschi“ weiter unten am Arm wurde ein kleidsamer blauer Fleck.

Für ihre „Schmerzensbilder“ fuhr Jaqueline Steigner zwischen Tatoo-Studios in Berlin, Hamburg und Frankfurt hin und her. Sie versucht nicht nur Gründe für Entscheidung und Motivwahl der Gepikten aufzuzeigen, sondern befragt auch die KünstlerInnen. Eine „Freehand“-Tätowiererin aus Berlin lässt sich bei ihrer Arbeit von den Körpern ihrer Kunden inspirieren. Eine junge Frau, die sich aus „nur so, ist ja ganz hübsch bei Frauen“-Modegründen eine der beliebten „Tribals“, Stammeszeichen von den Südseeinseln, auf den Steiß stechen lässt, quiekt dabei dann doch wie abgestochen. Aber der Schmerz ist wichtig, gehört dazu und wird von den meisten BilderfreundInnen auch zelebriert.

Die Hautbilder sind, trotz inflationärer Tribals und Aufklebe-Tattoos, immer noch im Trend. Als die beiden 88-jährigen Seemänner, die das älteste Tattoo-Studio auf St. Pauli betreiben, sich ihre Drachen, Meejungfrauen und Schiffe stechen ließen, war das noch längst nicht so: „Nur Nutten und Seeleute“ hatten damals Tattoos, erzählt einer der Seebären stolz. An ihm ist nur noch das Gesicht original fleischfarben. Der Rest ist dunkelgrau.

Der nächste Trend, sagt die Off-Stimme der kurzweiligen Reportage, werde wahrscheinlich das Weglassen von Tattoos sein. Aber das kann noch dauern.

JENNI ZYLKA

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