vorlauf lautsprecher: Jörg Sundermeier sichtet die soziale Bewegung der Stadt
Es ist nicht viel los in der Linken in dieser merkwürdigen Zeit, die man so salopp „zwischen den Jahren“ nennt. Neben den einschlägigen Antiweihnachtskonzerten und -besäufnissen, die in nahezu jeder linken Kneipe zum guten Ton gehören, gibt es keine politischen Veranstaltungen. Selbst die HeimkehrerInnen aus Brüssel haben ihre Videos und Fotodokumente schon gezeigt. Die Masse fährt heim, „zwischen den Jahren“ ist nicht gut Politik machen. So ist auch das einzige größere Ereignis dieser Woche die Neueröffnung des Arcanoa, das bis 1998 noch in der Zossener Straße vorzufinden war und sich großer Beliebtheit erfreute, obschon es mit Gruselgrafiken und kunsthandwerklichen Möbelinstallationen mehr an die Bildsprache der esoterischen Szene erinnerte. Nun jedenfalls ist es unweit des alten Standorts am Tempelhofer Berg zu finden ist. Am 26.12., dem Eröffnungsabend gibt erst mal ein Live-Konzert und viel zu trinken (Am Tempelhofer Berg 8, Kreuzberg, 20 Uhr). Ansonsten kann man ins Jahr zurückblicken, das nicht viel Erfreuliches für die linken Bewegungen brachte: in Göteburg und Genua wurde scharf geschossen, und Leute, die man schätzte, wurden verknastet. Gleichzeitig aber zeigte sich, dass viele GlobalisierungsgegnerInnen einem ganz naiven Antikapitalismus nachhängen, der dem der Neonazis näher ist als dem Marxens. Ebenso freuten sich viele Linke gemeinsam mit Bin Laden und Horst Mahler, dass es in den USA die Richtigen getroffen hatte. Auch hier war es der Glaube an das von Menschen verkörperte Kapital, der viele Leute den Rechten gleich machte, da hinter ihm fast ausschließlich ein mehr oder minder bewusster Antisemitismus lauert. Andere erblickten dagegen in Bush ihren Helden. Besonders analysestark hat sich die Linke in diesem Jahr leider gar nicht gezeigt.
Anregungen: vorlauf@taz.deFreitag kommt Konzert
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