vor taz vor zehn jahren zieht ein fazit der debatte um das holocaust-mahnmal in berlin :
Hilflos stand man dem Genozid auf dem Balkan gegenüber, verlegen und defätistisch ist die Debatte um den Fundamentalismus und die Integrationsprobleme der Ausländer, es fehlt an jeglichem Interesse für das Problem der Nato-Erweiterung. Das Holocaust-Denkmal scheint das einzige Terrain zu sein, auf dem man sich einigermaßen sicher fühlt. Das rettet aber das Projekt kaum vor der historischen Pleite. Denn das Denkmal kommt nicht auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung mit der Geschichte, sondern schließt symbolisch die in der Bundesrepublik geleistete „Erinnerungsarbeit“ endgültig ab. Vor diesem Hintergrund wird das geplante Holocaust-Denkmal quasi zum Schlussstrich der geleisteten Arbeit, zum Denkmal für die einmalige deutsche Leistung in der Aufarbeitung der Geschichte. Die mit Bussen herangeschafften Touristen lassen sich durch die Reiseführer die Symbolik erklären, weil ohne Erklärung das Gelände für die überwältigende Mehrheit normaler Menschen nur ein pompöses Steingelände ist. Nichts werden sie dabei empfinden, nur auf die Uhr gucken, um den Reichstag oder das Adlon nicht zu verpassen, bevor es mit dem Abendessen losgeht. Nachts werden Putzkolonnen Hakenkreuze abwischen, die die Glatzen als Mutprobe auf die Betonstelen schmieren werden.
Das Holocaust-Denkmal ist ein Denkmal für die einmalige deutsche Leistung, die darin besteht, dass das eigene Verbrechen zum Bestandteil der nationalen Identität gemacht wurde. Es ist auch ein Mahn- mal für eine immer noch mächtige Lobby, der sich die Trauerarbeiter anschlossen, um an die Gegenwart nicht denken zu müssen.
Sonja Margolina, taz vom 27. 1. 1998