vor ort : JULIA GROTH über die Ahlener Antifa, die von der Stadt im Stich gelassen wird
Neonazi-Propaganda an einer Litfasssäule ist im münsterländischen Ahlen offenbar nichts besonderes. Aber was viele Bürger übersehen oder hinnehmen, hat mehrere Jugendliche jetzt zum Handeln bewegt. Um den Rechtsextremisten in ihrer Stadt Widerstand entgegenzusetzen, wollen sie eine Antifa-Gruppe ins Leben rufen. Unterstützung hatten sie sich von Bürgermeister Benedikt Ruhmöller (CDU) erhofft. Der hatte sich in einem Brief betont engagiert gegeben. Man müsse das neofaschistische Unwesen im Keim ersticken, antwortete er auf den besorgten Hinweis der Schülerin, dass die Autonomen Nationalisten Ahlen und andere rechtsextremistische Organisationen in der Stadt immer präsenter würden. Aber mit der städtischen Unterstützung war es dann doch nicht so weit her: Die Stadtverwaltung verbot den Antifaschisten Plakate aufzuhängen, mit denen sie interessierte Bürger zur Gründungsveranstaltung einladen wollten.
Deshalb haben sie die Gründung der Gruppe zunächst verschoben. „Wir wollten auch Leute aus dem bürgerlichen Spektrum erreichen“, sagt Michael Schulze von Glaßen, der versucht hat, die Genehmigung für das Plakatieren zu bekommen. „Es wäre schön gewesen, wenn die Stadt ein Auge zugedrückt hätte.“ Aber die Vorschrift duldet offenbar keine Ausnahmen: „Grundsätzlich wird bei uns überhaupt nicht plakatiert“, sagt Gabriele Hoffmann vom Ahlener Ordnungsamt. Nur städtische Termine dürfen an Litfasssäulen beworben werden. „Es gab mal Plakate hier, die in die rechte Richtung gingen“, sagt sie. Die habe man aber sofort entfernt.
Trotzdem ist Hoffmann im Gegensatz zu ihrem Chef Ruhmöller nicht der Meinung, dass Neonazis in Ahlen und im Kreis Warendorf, zu dem die Stadt gehört, ein Problem sind. „Ich schätze den Bedarf für Antifa-Arbeit nicht höher ein als in anderen Städten“, sagt sie. Das sieht Antifaschist Schulze von Glaßer anders. „Es wird beliebter, rechtsextrem zu sein“, sagt er und erzählt, dass Neonazis seit einigen Monaten im Kreis Warendorf besonders aggressiv auftreten. Sie störten Veranstaltungen, bauten Infostände auf, gingen auf Demonstrationen mit und organisierten in überregionalen Netzwerken. Schulze von Glaßer selbst wurde auf einer antifaschistischen Veranstaltung von Neonazis fotografiert und fand seinen Namen kurz darauf auf der Homepage der NPD-Kreisgruppe wieder.
„Manchmal hat man das Gefühl, es entwickelt sich ein Kleinkrieg zwischen Neonazis und Linken“, sagt er. Für die geplante Antifa-Gruppe in Ahlen haben er und seine Freunde mittlerweile auch ohne Plakate genug Mitstreiter gefunden. Sie wollen die Gruppe in der kommenden Woche offiziell gründen. Ihr Ziel ist, die kleinen schon bestehenden antifaschistischen Gruppen im Landkreis zu vereinen. Dabei wollen sie sich laut Schulze von Glaßer nicht betont autonom geben, sondern „friedlich, freundlich und kunterbunt“ sein. Er hofft, dass sich so viele Bürger angesprochen fühlen. Denn Plakate ohne Genehmigung aufzuhängen wäre wohl doch zu autonom gewesen.