village voice : Melancholisch wohlig: Motikats Spaghetti Western Wüsten Musik
Ein Mann, ein Mond, ein Nabel
Man kennt das ja: Es geht einem nicht so gut, das andere Geschlecht war wieder bös zu einem, die Aktienkurse sind noch einmal gefallen. Wie das halt alles so ist, wenn’s eh schon mies läuft. Da hilft nur noch eins: Musik. Hören. Aber auch: Selber machen, mal was raus lassen. Wie Motikat auf seinem ersten Album „Out Of Tune“.
Vollständiger Name: Paul Motikat. Wohnort: Pankow (scheint ihm wichtig). Sonstige Profession: Sänger und Kontrabassist der Los Desastres. Von denen heißt es, ihr voller Name laute eigentlich „No Woman, No Sex, Los Desastres“ und zur Beschreibung ihrer Musik werden gerne Metaphern heran gezogen, in denen Saloons und staubige Cowboystiefel eine herausragende Rolle spielen. Auch die Band selbst hat ein Faible für Klischees und schubladisiert ihren Stil als „spaghetti western desert music“.
Für Klischees hat auch der Solist Motikat auf seinem Solodebüt einiges übrig. Mit herzhaft verrauchter Stimme und einigen th-Schwierigkeiten singt er vom schwarzen Cadillac, der alles ist, was der Mann zum Glücklichsein benötigt, vom Mond, der die Augen der Liebsten so hübsch beleuchtet, er singt von der „Long Prairie“ und vom „Broken Heart“, wofür höchstwahrscheinlich die „Sad Woman“ sieben Songs weiter verantwortlich zeichnet. Das alles ist natürlich nicht wirklich traurig und verzweifelt, sondern melancholisch und eher sehr wohlig. Tatsächlich berichtet Motikat in einer solch samtigen Stimme von diesen eher semitragischen Herzschmerzangelegenheiten, dass vermutet werden darf, dass er in seinem Leben schon reichlich Lee Hazlewood gehört hat.
Aufgenommen wurde in schönster Lo-Fi-Tradition in der eigenen Altbauküche in – wie bereits erwähnt – Pankow. Anwesend sonst nur ein Achtspurrecorder. Die Instrumentierung war spartanisch: Akustische Gitarre, ein zurückhaltendes Schlagzeug, ein sanfter Bass, alles höchstselbst eingespielt. Die ursprünglich nur als Demos gedachten Aufnahmen haben dem Label so gefallen, dass sie prompt und weiter nicht behandelt veröffentlicht wurden. Auch das eine Parallele zu Hazlewood, dessen neuestes Album ebenfalls eine Sammlung alter, nie zur Veröffentlichung vorgesehener Demoaufnahmen war. Allerdings: Dessen feine Ironie geht Motikat weitgehend ab, noch viel mehr allerdings Hazlewoods Fähigkeit, vielschichtige Geschichten zu erzählen. Motikat betrachtet lieber seinen eigenen Nabel und berichtet so nicht nur in „I Don’t Know“ eher oberflächlich von den üblichen postpubertären und libidinösen Irrungen und Wirrungen eines Jungmannes mit vermeintlichem Tiefgang.
So heißt „You Are So Beautiful“ zwar wie die berüchtigte Schnulze von Joe Cocker und kommt zumindest anfangs auch ziemlich ähnlich dahergeknödelt, wird dann aber doch nur zum halbherzigen Klagegesang, der sich um die Verantwortung drückt, mal ein wahrhaftiges Gefühl zu verarbeiten. Die abgeklärte Singer/Songwriter-Pose lockert Motikat erst zum Abschluß, wenn in „Ma’s Grand“ ein wohl temperiertes Klavier schwelgt ohne jede schnippische Absicherung. Ansonsten aber ist der Junge ganz bei sich und seinen recht ungefiltert klischeehaften Vorstellungen von Amerikana. THOMAS WINKLER
Motikat: „Out of Tune“ (Ulftone), Auftritte am 3. 1 im Roten Salon und am 23. 1. im Knaack