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vier aus der zwischenzeitWeihnachten in der Stadt der Karl-May-Festspiele

Vom Paddeln zum Whirlpool

Im ICE Richtung Norden sagt der Zugchef über Lautsprecher, bei „großen oder kleinen Sorgen“ könne man sich an das Zugbegleiterteam wenden. Wagen neun nehme alle Beschwerden entgegen „zum Beispiel über zu wenig Geschenke an Weihnachten“. Gerne würde man ausprobieren, was den Zugleuten zu depressiven Psychosen einfällt. Stattdessen liest man im Bahnmagazin Mobil „was uns bewegt“, eine schreckliche Kolumne über das Aufregerthema Mobilfunktelefonierer im Großraumabteil.

In meinem Großraumwagen telefoniert niemand, weil nur ich drinsitze. Das ist schön, still und ein bisschen einsam. Außerdem riecht es beim Umsteigen in Bad Oldesloe auf dem nächtlichen Bahnsteig plötzlich nach Landleben.

Am Zielort liegt Schnee, das Zielhaus steht in einer 70er-Jahre-Backstein-Neubausiedlung. Vor der Tür parkt ein Wohnwagen. Wer an den Weihnachtsfeiertagen Besuche macht, sieht sich unvorhergesehen in fremde Familiengeschichten hineingeworfen. Hier gab es für Jugendliche einen Hobbykeller mit Luftschlangen, eine Sammlung von Hör-Zu-Zeitschriften und Paddelurlaube in Schweden. Heute stellt diese Mutter neuen Gästen Hausschuhe hin und schenkt ein Kochbuch. Auf einmal scheint einem bei anderen Menschen die Kommunikation unter Familienmitgliedern weniger nervös als bei der eigenen Verwandtschaft, und man denkt mit einem schlechten Gewissen an seine Eltern.

Der zweite Weihnachtsfeiertag in Schleswig-Holstein ist ein Essen in einer gediegenen Hotelgaststätte am See. Die kleine Nichte möchte gebratenen Kellner bestellen. Und bei der Heimfahrt im Auto freut man sich über die Straßenschilder, die auf lustige Orte wie „Quaal“ oder „Stipsdorf“ weisen. Ansonsten wirkt die kleine Stadt der Karl-May-Festspiele wie ausgestorben. Für wen die aufwendige Weihnachtsbeleuchtung des großen Möbelhauses strahlt, ist unklar. Die gefrorenen Wege sind leer. Verlassen ragt ein Indianerdenkmal auf einem Feld, das den Namen „Backofenwiese“ trägt.

Später erfährt man mehr vom Leben hier. Ein Sohn führt seinen Whirlpool vor. Im Wohnzimmerschrank der Eltern liegt das Buch „Geldgeschenke schön verpackt“, und im Garten der Nachbarn steht ein Zigarettenautomat. Für Berlin wünscht man sich einen genauso entspannten Umgang mit den Notwendigkeiten des Alltags.

Der liebenwerteste Gegenstand, den man jedoch bisher auf diesem Besuch entdeckt hat, befindet sich in einem inzwischen verlassenen Jugendzimmer: eine kleine getöpferte Maus. Sie sieht aus wie eine Wurst. Abends spielen wir im Wohnzimmer heiteres Beruferaten. Ich muss einen Förster darstellen. KIRSTEN KÜPPERS

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