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Archiv-Artikel

vertrauensverlust Rechte selbst einfordern

Jederzeit müssten die BürgerInnen wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. So verlangt es das „Volkszählungsurteil“, mit dem das Bundesverfassungsgericht 1983 das „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ begründet hat. Seither sind Computertechnik und elektronische Netzwerke megamäßig fortgeschritten, und im Alltag ist das schöne Grundrecht oft schwer durchsetzbar – besonders für PatientInnen. Vielen ist gar nicht klar, welche Behandlungsdaten, Befunde und Körpersubstanzen wo und zu welchem Zweck gespeichert, genutzt oder beforscht werden. Ein krasses Beispiel sind die Restblutproben-Sammlungen, die diverse Labors im Zusammenhang mit dem Baby-Screening angelegt haben – stillschweigend, teilweise seit Jahrzehnten. Dass dies überhaupt ans Tageslicht kam, ist DatenschützerInnen zu verdanken. Sie riefen vor rund zwei Jahren ins Bewusstsein, dass solche Blutsammlungen auch als „potenzielle Gendateien“ genutzt, vermarktet und missbraucht werden könnten. Doch die Screening-ÄrztInnen verharren seitdem einfach auf Tauchstation. Die Labors hätten verloren gegangenes Vertrauen durchaus wiedergewinnen können: Sie hätten sämtliche getesteten Kinder und ihre Eltern unaufgefordert anschreiben, über archivierte Blutproben informieren und auch fragen können, ob sie mit einer weiteren Lagerung der Testkarten einverstanden seien oder nicht. Diesen Aufwand, verursacht durch eigene Versäumnisse, halten die ScreenerInnen offenbar für unnötig. Ein Klinikchef, ein Politiker, ein Datenschützer oder ein PatientInnenverband, der den ÄrztInnen hier auf die Sprünge helfen könnte, ist nicht in Sicht. Dabei gelten seit April 2005 Regeln, die eindeutig festlegen, dass Restblutproben spätestens nach drei Monaten zu vernichten sind. Passieren wird dies wohl nur, wenn Eltern beherzt nachhaken. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte vom Screening-Zentrum nach erfolgter Blutanalyse schriftlich verlangen, dass ihm die Karte mit den Restblutproben schleunigst zugeschickt wird.

KLAUS-PETER GÖRLITZER