verpasst!? : Alles Opfer oder was?
„Zwischen Gier und Gewissen – Lässt sich der Dopingsumpf trockenlegen?“, Mi., 22.45 Uhr, ZDF
Schon wieder Doping: Anlässlich der am Samstag beginnenden Tour de France nehmen die übertragenden öffentlich-rechtlichen Sender jede Chance wahr, um die Zuschauer bei der Stange zu halten. Doch dieser Versuch verkommt in der ZDF-Dokumentation zur Farce.
Ein nachgestelltes Gespräch mit einem ominösen „Informanten“ dient als Aufhänger für die konfuse Zusammenstellung von Fakten, Interviews und Bildmaterial. Dieser „Informant“ erzählt von einem sehr talentierten Radfahrer, der sich geweigert hatte, verbotene Substanzen zu schlucken. Fast bemitleidend fügt er hinzu, dass dieser Junge Versicherungskaufmann oder etwas „ähnlich Komisches“ geworden sei, dabei hätte er doch Weltmeister werden können. Ein Verweis auf den gesamten Inhalt der gut halbstündigen Dokumentation: Heutzutage zählen nur Leistung und Ergebnisse.
Befragte Theologen, Sportwissenschaftler, Ärzte und Athleten erwecken den Eindruck, dass dieser „Dopingsumpf“ nicht trockenzulegen ist. Die Doper wiederum seien sowieso die Ärmsten, denn sie seien „Opfer“ der Leistungsgesellschaft. Die Durchleuchtung der komplexen Verzahnung verschiedener Interessengruppen ist die einzige Stärke dieser Dokumentation, die aufgrund ständig wechselnder Interviewpartner eher wie eine Videoinstallation wirkt.
Die Doku hängt sich an alten Kamellen auf und wirkt insgesamt redundant. Fakten – etwa ein neues Medikament, das angeblich bei Tests nicht nachweisbar ist – werden nur kurz erwähnt. Gen-Doping sei zwar schon bekannt, berichtet ein Mediziner, doch die Aufklärer hätten keine Chance, im Wettlauf mit den innovativen finanzstärkeren Kriminellen mitzuhalten. Interessant. Doch Anregungen, wie dem entgegenzuwirken sei, werden nicht gegeben. Ein Theologe faselt etwas über fehlende gesellschaftliche Normen und dass die Entwicklung zur strikten Leistungsorientierung immer schlimmer und radikaler werde. Im Sinne von: „Was soll bloß aus unseren Kindern werden?“
Zwischendurch beeindruckt noch Kronzeuge Jörg Jaksche mit der Dreistigkeit, dass er nur auspacke, damit er ungeschoren davonkomme. Zum Abschluss der Doku gibt es die gut abgehangene These, auch die Medien hätten Schuld an der Dopingproblematik. Schließlich sei die Inszenierung der ganzen Razzien und Geständnisse ja auch ein spannendes und das Sommerloch füllendes Ereignis. Am Ende steht der mit theatralischer Musik untermalte Appell: Jeder Einzelne müsse sich zwischen Gier und Gewissen entscheiden. Danke! Bleibt nur zu hoffen, dass jemand diesen Dokumentationssumpf trockenlegt. ROBERT RIST