urdrüs wahre kolumne : Sabotage alle Tage
O glückliches Bremen, das seinen Bürgern bereits vier Tage vor Heiligabend die Möglichkeit gibt, die Weltraum-Kirmes des Space Park im Probelauf zu erleben: und da die Gröpelinger und Borgfelder, die Neustädterinnen und selbst die Teneveraner den ganzen Schmuddel als Steuerzahler schon mehrfach bezahlt haben und weiterhin dafür blechen müssen, ist der Spaß ganz sicherlich umsonst und wahrscheinlich spendiert die Dresdener Bank als stolze Eigentümerin noch Christstollen und Glühwein dazu. In der Geisterbahn „Galaxy-Metroliner“ aber tummeln sich die nach den Bürgerschaftswahlen ins Magazin gewanderten Super-Staatsmänner der Großen Koalition mit den Rummelboxern der Köllmann-Truppe und König Henning erzählt die Märchen aus jener Zeit, als das Wünschen in Bremen noch geholfen hatte!
Ein Akkordeon-Virtuose aus Lettland bedient sein Instrument in der Fußgängerzone mit einer Leidenschaft, die so manchen Passanten zum Portemonnaie greifen lässt. Und doch erdreistet sich ein notorischer Nörgelbuff, mit halblauter Dummsack-Stimme die Behauptung in den öffentlichen Raum zu stellen: „Das geht ja an der Steuer sowieso alles vorbei.“ Die Umstehenden grinsen daraufhin derart hemmungslos, dass man fast den Glauben an die verderbte Menschheit zurückgewinnen könnte. Und einige werfen noch etwas Zugabe in den Instrumentenkoffer – ist schon recht, zumal der reisende Musikant gerade „Gruß an Kiel“ anstimmt, neben dem Gladiatorenmarsch wohl die unschlagbare Krönung dieses Genre.
Nach langer Zeit wurde mir jetzt kurz vor dem Ersten Mai bei einer Stippvisite in Hannover wieder mal ein Flugblatt zuteil, das vom „Komitee der Wütenden“ unterzeichnet war und als presserechtlich Verantwortliche Emma Goldmann nannte. Der Inhalt indessen war ziemlich mager: etwas Mopserei über die aktuellen sozialpolitischen Verwerfungen und ein wenig folkloristische Gebrauchs-Prosa von links war schon alles und damit weniger, als vom legendären Komitee zu erwarten war. Gelungen aber immerhin die Schlussparole in ihrer blutigen Dramatik: „Lasst euch nicht länger für die Schweine das Fleisch aus den Rippen schneiden!“ Zumal das ja unter verbraucherschützerischen Gesichtspunkten ein Slogan ist, mit dem man auch die jetzt aus dem Frühjahrsschlaf erwachenden Grillfreunde auf die Barrikaden treiben kann. Wenn diese Emma nicht am Ende doch Renate heißt!
Senatorendarsteller Hartmut Perschau ist ja nun auch schon in einem Alter, wo im Fall des Falles auf dem Arbeitsamt nur noch mit den Achseln gezuckt wird und höchstens die Empfehlung kommt: „Wartense mal ab – zum Schlussverkauf werden wieder Handzettelverteiler gesucht, da merk ich Sie schon mal vor!“ Muss man aber in nackter Angst um die eigene Anzugträger-Existenz soweit gehen, auf Veranstaltungen des extremistischen Mittelstandspöbels in der Messehalle den Verdammten dieser Erde ihr Lebensrecht streitig zu machen mit dem unverantwortlichen Hass-Schnack „Mit uns wird es weder Fixerstuben noch die Vergabe von Drogen an Abhängige geben“? Dass die CDU das insgesamt nicht ganz so ernst meint, signalisiert immerhin, dass den Alloholikern aus den eigenen Reihen bei der Kohl-Kundgebung der Bölkstoff für die bescheidene Schutzgebühr von einem Euro verabreicht wurde.
Apropos Wahlkampf: laut taz soll bei der erwähnten Kundgebung ein Punk mit der Parole „Kirch hat Kohl gekauft. Geld regiert die Welt“ protestiert haben. Dieses Statement indessen finde ich so unkünstlerisch, dass ich es mir von einem Vertreter dieser geschätzten Minderheit kaum vorstellen kann. Am Ende war’s wohl doch nur einer aus dem klitzekleinen Stamm der grünen Berufs-Irokesen...
Allen, die heute morgen noch vom offiziellen Parolen-Verschnitt verkatert sind, empfehle ich den verbalen Frische-Snack zum rrrevolutionären Mai 2003, unter den ich auch meine eigene Kundgebung am heutigen Freitagabend in der GaDeWe stelle: „Keine Frage – Sabotage alle Tage!“ Denn unter diesem Motto kann man soviel Gutes tun – versichert mit Nachdruck
Ulrich „Maibock“ Reineking