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Archiv-Artikel

unterm strich

Eine Wahnsinnswoche ist zu Ende gegangen: Erst kracht das Weltfinanzsystem zusammen. Dann kommt Jörg Haider bei einem Autounfall ums Leben. Und als wäre das nicht schon genug (zumal es ja auch noch nicht alles an Aufregungen ist: Unsere Chefin hat außerdem Ärger mit dem Kadmos Verlag und Helmut Markwort, hier ist echt was los!): Während der Aufzeichnung der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises kam es zum Kultureklat. Marcel Reich-Ranicki weigerte sich nämlich, ihn entgegenzunehmen, und bezeichnete die Veranstaltung als „Blödsinn“.

Wie ist er dort überhaupt gelandet? „Deutscher Fernsehpreis“, wird sich Reich-Ranicki gedacht haben, das hört sich doch gediegen an, und hat das ZDF nicht gerade für eine Menge Geld seine Autobiografie verfilmt? Aber dann so was. All die Leute, die einige der dümmsten Fernsehprogramme der westlichen Welt verantworten, klopfen sich auf die Schulter und lassen sich hochleben. Volle Unterstützung aus der taz-Kulturredaktion für Marcel Reich-Ranicki: „Blödsinn“ und „Ich gehöre nicht in diese Reihe. Ich finde es schlimm, dass ich das hier heute Abend erleben musste“, sind da das Mindeste.

Zumal diese Geste genau das ist, was aus einem erzlangweiligen Abend aufregendes Fernsehen gemacht hat. Und so dürfte das beste, interessanteste, lehrreichste und wahrscheinlich unterhaltsamste Ergebnis dieses Abends die Sendung werden, die das ZDF nun Marcel Reich-Ranicki angeboten hat: mit einigen der Verantwortlichen über das Programm zu diskutieren. Nicht weil es etwas ändern würde. Sondern weil auch diese Sendung wahrscheinlich brillantes Fernsehen wird, all das, was das ZDF sonst fast nie ist: geistreich, spontan, lebendig, nicht vorhersehbar.