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Archiv-Artikel

unterm strich

Katharina Sieverding erhält den Goslarer Kaiserring 2004: Mit dem goldenen Ring, der dem Siegelring Kaiser Heinrichs IV. nachempfunden ist, werden seit 1975 Künstler ausgezeichnet, unter anderem Max Ernst, Joseph Beuys, Rebecca Horn und William Kentridge. Katharina Sieverding ist mit großformatigen fotografischen Arbeiten bekannt geworden, die oft Porträts des eigenen Gesichts in einen öffentlichen Gegenstand verwandeln. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist vor allem die Identität und ihre Prägung durch verschiedene Formate der Medien. Nach Ansicht der Jury stellen ihre hochglänzenden und fast aggressiv eleganten Bilderwände „zwangsläufig einen Bruch mit der so genannten Objektivität der Fotografie“ dar. Die 1944 geborene Künstlerin pendelt zwischen dem Rheinland und Berlin und lehrt an der Universität der Künste in Berlin. Dass sie, eine ehemalige Beuys-Schülerin, ihre erste Formen in den Hochzeiten der Performance gefunden hat, hinterlässt bis heute Spuren in ihrem Umgang mit dem Körper und seiner Repräsentation.

Der italienische Politologe und Philosoph Norberto Bobbio ist tot. Der auch in Deutschland bekannte Intellektuelle starb im Alter von 94 Jahren am Freitag in Turin. Bobbio, der bis in die 80er-Jahre in Turin lehrte, galt als „Theoretiker der demokratischen Institutionen“. Ein großer Erfolg war sein Buch „Die Zukunft der Demokratie“ (1988).

Politische Schlagzeilen machen Philosophen nur selten, doch Bobbio gelang das mehrfach. Zuletzt, als er Anfang der 90er-Jahre den politischen Aufstieg Silvio Berlusconis kritisierte. „Hinter Forza Italia steht der Faschismus“, meinte er damals. Selbst Berlusconi-kritische Intellektuelle mochten ihm in diesem harten Urteil nicht folgen. Dabei blieben seine Gedanken hoch aktuell. Der Kommunismus sei gescheitert, aber die Herausforderungen der Zeit seien geblieben, sagte er mit Blick auf die andauernde Teilung der Welt in reichen Norden und armen Süden. In dem Buch „Zukunft der Demokratie“ widmete er sich dem Sozialstaat. Wer den Sozialstaat aufgebe, bringe die Demokratie in Gefahr.

Die Botschaften des politischen Philosophen waren häufig konkret anwendbar. Noch 1994 schaffte er es, mit seinem Buch „Die Rechte und die Linke“ über Monate hinweg in Italien auf der Bestsellerliste zu rangieren.

„Das eigentliche Leben begann mit dem Widerstand“, schrieb Bobbio in seinen Erinnerungen. Als junger Ordinarius machte er seine Räume an der Universität Padua zum Unterschlupf von Untergrundparteien. Das Engagement gegen den Faschismus bezahlte er mit mehreren Monaten Gefängnis.