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Archiv-Artikel

unterm strich

Harald Schmidt ist vom Showmaster zum Theatermacher konvertiert. Auf der Umleitung vom Vielfahrer-Fernverkehr, sprich dem Fernsehen, auf die städtische Schnellstraße, das Theater, hat er im Kölner Museum Ludwig vor nur knapp zwei Wochen den Beruf des Kurators als Motor entdeckt, um nun am Dienstagabend auf der Bühne des Berliner Ensembles, des „bestverkauften Theaters“ Deutschlands, Halt zu machen, wahrscheinlich ebenso kurz wie in Köln. Die Vermutung, dass Schmidt nicht wirklich aus J. D. Salingers „Fänger im Roggen“ lesen würde, hat die Mehrheit der Zuschauer überhaupt in den traditionellen Brecht-Tempel gelockt.

Die Ironie: Parallel zum eigenen momentan unvorhersehbar queren Werdegang schickt Schmidt die Erwartungshaltung des Publikums auf Irr- und Umwege. Was mit dem Aushängeschild „Fortbildung“ versehen wird, ist in Wahrheit eine zynisch charmante Publikumsbeschimpfung. Der als Outsider zum Insider gewordene Charismatiker Schmidt changiert fein ausgewogen zwischen Trash und Hochkultur, also zwischen Kahn, SPD sowie Susanne Fröhlichs „Moppel-Ich“ und Thomas Bernhard, dem „großartigsten Intendanten“ Claus Peymann und seiner eigenen Wenigkeit. Er zitiert aus dem gesamten Repertoire des BE und nimmt Rekurs auf mehr oder minder berühmte Aufführungen vom Wiener Burgtheater bis Stuttgart – immer ein bisschen zu informiert für den Schmidt-Fan aus der Superstar-Nische, der sich über die Intellektuellenverdummung schlapp lachen kann, und ein bisschen zu uninformiert für den Schmidt-Fan aus der Zeit-Leser-Liga, der hier und da etwas zu berichtigen weiß.

Auffallend am neuen, alten Harald Schmidt ist nicht nur die Gleichzeitigkeit mit Anke Engelkes Debüt in der „Late Night Show“, sondern auch, dass er zur Reintegration die traditionellen Medien wie Museum oder Theater nutzt. Dass er vom Künstlertum aber weit entfernt bleibt, zeigt die eigentümliche Umkehrung: Schmidt sucht sich den prestigeträchtigen Veranstaltungsort und lädt ihn dann mit Bedeutung auf – oder anders formuliert: Der Inhalt findet nicht seine geeignete Form, sondern die Form ihren offensichtlichsten Inhalt.