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Beim 57. Filmfestival in Locarno wurde am Samstag die italienische Produktion „Private“ von Saverio Costanzo mit dem Goldenen Leoparden ausgezeichnet. Die aus der Türkei stammende Hamburger Regisseurin Ayse Polat erhielt mit „En Garde“ den Silbernen Leoparden. Der Spezialpreis der Jury ging an „Tony Takitani“ von Jun Ichikawa. Der Goldene und der Silberne Leopard sind je mit 30.000 Franken (gut 19.500 Euro) dotiert.
Polat, die seit 1978 in Deutschland lebt, behandelt in ihrem sechsten Film die Schwierigkeit des Erwachsenwerdens und entwickelt feinfühlige Charakterstudien von Heimkindern. Der Preis für die beste weibliche Darstellerin wurde ebenfalls für „En Garde“ vergeben. Er ging an die beiden Schauspielerinnen Maria Kwiatkowsky und Pinar Erincin.
Saverio Costanzos Film „Private“ erzählt die Geschichte einer palästinensischen Familie, deren Haus von der israelischen Armee belagert wird. Da sich der Vater weigert, auszuziehen, wird das Haus schließlich aufgeteilt: Im Erdgeschoss lebt die Familie, den ersten Stock übernehmen israelischen Soldaten. Dem Regisseur Costanzo gelingt es, die Angst, Wut und Verzweiflung sowie das Misstrauen seiner Figuren eindrucksvoll darzustellen. Aus dem hervorragenden palästinensisch-israelischen Schauspielerensemble sticht Mohammed Bakri heraus, der für die Rolle des Vaters den Leoparden für den besten Hauptdarsteller erhielt. Die Entscheidung für „Private“, sagte die Festivaldirektorin Irene Bignardi, sei von der siebenköpfigen Jury einstimmig gefällt worden. Das Publikum auf der Piazza Grande begrüßte sie mit freundlichem Applaus, aber ohne Euphorie.
Der mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnete japanische Film „Tony Takitani“ von Jun Ichikawa erhielt auch den Preis des internationalen Filmkritikerverbands Fipresci. Der Regisseur wirft einen schonungslosen Blick auf das Leben eines von Kindheit an von Einsamkeit, später auch von Gewissensbissen gequälten Mannes im modernen Japan. Es handelt sich um die Verfilmung eines Romans von Haruki Murakami. Der vom Schweizer Außenministerium gestiftete und erstmals verliehene Menschenrechtspreis in Höhe von 5.000 Franken ging an „Forgiveness“ von Ian Gabriel aus Südafrika. Das Spielfilmdebüt des Werbefilmers handelt vom Versuch des Vergebens und der Verständigung. Ein ehemaliger Polizeibeamter, von Verbrechen während des Apartheidregimes freigesprochen, wird von Gewissensbissen geplagt. Er sucht Vergebung bei Angehörigen eines seiner Opfer, trifft aber auf Abweisung.