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Der tschechische Schriftsteller Jiri Grusa ist neuer Präsident des internationalen PEN. Der 65-Jährige tritt die Nachfolge des Mexikaners Homero Aridjis an, der nach sechsjähriger Amtszeit nicht mehr kandidierte. Grusa hatte bei der Abstimmung auf dem Weltkongress der Schriftstellervereinigung in Mexiko-Stadt keinen Gegenkandidaten.
Als Dissident und Mitunterzeichner der „Charta 77“ wurde der am 10. November 1938 in Parduci (Böhmen) geborene Autor vom damaligen kommunistischen Regime verfolgt und 1981 ausgebürgert. Nach der politischen Wende wurde Grusa, der sich in der Bundesrepublik niedergelassen hatte, tschechischer Botschafter in Bonn. „Ich habe das Mitteleuropäische von unten bis nach oben gesehen, und von oben nach unten auch, mich kann nicht viel überraschen“, sagt Grusa, der auf Tschechisch und auf Deutsch schreibt. Die Erfahrung von drei Diktaturen – Nationalsozialismus, Kommunismus und sowjetische Fremdherrschaft – hat er 1979 in seinem Roman „Dotaznik“ („Der 16. Fragebogen“) literarisch verarbeitet.
Als eines seiner wichtigsten Ziele nannte der neue PEN-Präsident eine Reform der Organisationsstruktur der 1921 gegründeten Vereinigung. Diese müsse übersichtlicher werden, sagte Grusa der Nachrichtenagentur dpa. Er wolle außerdem die Kooperation mit den „Zentren der Literalität“ verstärken, zum Beispiel mit Schriftstellerverbänden. Mit Hilfe des Internets könne außerdem die Kommunikation zwischen den einzelnen PEN-Zentren modernisiert werden. Der Abstimmung in nichtöffentlicher Sitzung waren heftige Kontroversen vorausgegangen. Der scheidende PEN-Präsident Aridjis unterstellte dem PEN-Sekretariat in London, die einzelnen PEN-Zentren nicht rechtzeitig über die Kandidatur Grusas informiert und dessen Absichtserklärung nicht verschickt zu haben. Dem Internationalen Sekretär Terry Carlbom warf Aridjis eine „Einmanndiktatur“ und „Manipulationen sowjetischen Stils“ vor. Carlbom reagierte auf die Angriffe nicht. Der französische Delegierte Sylvestre Clancier behauptete, das Sekretariat habe eine Gegenkandidatur verhindert. Delegierte aus verschiedenen PEN-Zentren wiesen auf Nachfrage die Anschuldigungen Aridjis zurück und versicherten, die schriftlichen Unterlagen mit der Absichtserklärung Grusas rechtzeitig erhalten zu haben. Die russische Delegation teilte mit, dass der von den Franzosen favorisierte Mario Vargas Llosa eine Kandidatur von vornherein abgelehnt habe. Grusa sagte, er habe mit der Kontroverse unmittelbar vor seiner Wahl nicht gerechnet: „Es ist doch nicht meine Schuld, dass es nur einen Kandidaten gab.“