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Am Ende schloss sich in seinem Werk der Zirkel: Zuletzt arbeitete Tom Wesselmann, der am Freitag, den 17. Dezember, in New York gestorben ist, an einer Serie von Aktgemälden – ausgerechnet im Stil des Abstrakten Expressionismus. Tom Wesselmann ist aber als Künstler der Pop-Art bekannt. Jener am Gegenstand orientierten, trivialen Bildwelt, die den radikalen Bruch mit dem Abstrakten Expressionismus bedeutete, wie ihn Jackson Pollock, Mark Rothko oder Willem de Kooning vertraten. Mit Robert Rauschenberg, Jasper Johns, Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg, James Rosenquist und Jim Dine gehörte Tom Wesselmann zu jenen Künstlern, die den American way of life besonders in der Werbung, dem Massenkonsum und den Massenmedien entdeckten und feierten. Wesselmann wurde dabei durch seine glänzenden, sehr sauber gemalten, jede persönliche Handschrift missenden, meist pinkfarbenen Silhouetten des weiblichen Torsos berühmt. In Wesselmanns „The Great American Nudes“ kamen Übernahmen aus der Plakatwerbung mit den Vorbildern Matisse und Bonnard zusammen, deren Frauenakte in intimen Interieurs Wesselmann inspirierten. In seiner „Smokers“-Serie, die in den 70er-Jahren entstand, radikalisierte er diesen Ansatz noch einmal und zoomte auf die roten, aufgeblasenen Lippen, aus denen der Rauch quoll, die Furcht erregend manikürten Fingernägel oder die unter dem Bikini weiß gebliebenen Brüste seiner nackten Schönen. Ziel seiner Malerei, in die er auch reale Gegenstände wie Radios, Fernseher, Kühlschranktüren und Badezimmerarmaturen integrierte, war das „aggressive“ Bild, wie er sagte.
Tom Wesselmann, der 1931 in Cincinnati geboren wurde, interessierte sich zunächst gar nicht für Kunst. Erst als er während des Koreakriegs eingezogen und in Luftbildfotografie ausgebildet wurde, begann er zu zeichnen. Nach der Armee studierte er an der Art Academy von Cincinnati, 1956 schrieb er sich in New York an der Cooper Union School of the Arts ein. 1961 verschaffte ihm Henry Geldzahler, damals Kurator am Metropolitan Museum of Art, seine erste Galerieausstellung. Wenig später war er schon beim Pop-Art-Galeristen Leo Castelli.