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Archiv-Artikel

unterm strich

„Er lebt mit seiner Denkart absolut im Heute. Und nicht im Gestern. Er hat nicht die Vergangenheit im Schlepptau. Das ist sehr charakteristisch für ihn. Er ist immer ein Takt weiter“, sagt der israelische Komponist Josef Tal über Jeffrey Burns, den amerikanisch-berlinischen Pianisten, mit dem er seit 1986 zusammenarbeitete. Am 18. Dezember ist Burns im Alter von 54 Jahren gestorben, beigesetzt wurde er am 23. auf dem jüdischen Friedhof von Weißensee.

Geboren wird Burns in Los Angeles als einziges Kind eines jüdischen Kaufmanns. Schon mit neun Jahren tritt er das erste Mal öffentlich auf. 1968 gewinnt er die Goldmedaille beim internationalen Klavierwettbewerb „Viotti“ in Italien, kommt 1972 als Stipendiat des DAAD nach Deutschland, lehrt von 1977 bis 1983 an der Universität Münster und zieht danach nach Berlin, wo er zu einem der führenden Interpreten der modernen Klaviermusik wird. Josef Tal, Arie Shapira, Morton Feldman, René Both, Gerhard Humel, Paul-Heinz Dittrich, Johannes Kalitzke, Georg Katzer komponieren für ihn. Frank Zappa überlässt ihm das für unspielbar erklärte „Ruth is Sleeping“, das er zu seinem Bravourstück macht. 1997 stellt er das „Piano of Light“ vor, wobei er seinen Konzertsteinway mit eigens von ihm entwickelten Lichtsteuerungsprogramm an seinen Computer anschließt, um die „Lichtmusik“ Skriabins genau so umzusetzen wie vom Komponisten verlangt. Er gibt Computerkurse für Komponisten. Er leitet Meisterklassen in Rheinsberg. Sein weiteres großes Interesse gilt dem Judentum in seiner religiösen Praxis und musikalischen Überlieferung. Mit dem von ihm entwickelten Computerprogramm „maxsynagogue“ macht er das komplizierte System der jüdischen Kantilation auch denen zugänglich, die nicht über seine einmalige Verbindung von Musikalität, mathematisch-technischem Sachverstand und Thoragelehrtheit verfügen. Ein Wissen, das er nutzt, um die Musik- und Textstruktur der Bibelpsalmen in einem fast tausendseitigen Riesenwerk zu entschlüsseln. Er war dabei, es mit großer Energie fertig zu stellen, als man ihn tot in seinem Bett findet.

Weil der Job als Generaldirektor der Berliner Opernstiftung ja ausgesprochen easy ist, hat der Schriftsteller Lutz Rathenow vorgeschlagen, solle Michael Schindhelm, der diesen Job antritt, gleich noch das Deutsche Theater in der Hauptstadt leiten. Ja, sind wir nur noch von Dummbeuteln umgeben? Hat er ja auch in Basel gemacht, die Oper und das Schauspiel geführt, der Schindhelm, dagegen ist Berlin ein Klacks. Hauptsache, die Kulturbataillone an der Ostfront stehen geschlossen. Kultursenator Flierl wird der Vorschlag freuen.