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„Sa vie est un roman“, titelte Libération lakonisch über Jean-Jacques Schuhls Buch „Ingrid Caven, roman“, das gerade den wichtigsten französischen Literaturpreis „Prix Goncourt“ gewonnen hat. Dass Schuhl, der seit zwanzig Jahren und zwei anerkennend aufgenommenen Büchern nichts mehr geschrieben hat, jetzt ausgerechnet mit einem Werk über seine Ehefrau Caven groß rauskommt, hat eine gewisse Folgerichtigkeit. Ingrid Cavens Gatte zu sein, ist seit zwei Jahrzehnten die wichtigste Tätigkeit des äußerst wohlhabenden, zwischen Paris und New York pendelnden Kosmopoliten, und so lebte er ja gewissermaßen in dem Roman, über den er jetzt so etwas wie eine Biografie schrieb. In seiner literarischen Montage zeichnet Schuhl die Lebensstationen der Caven nach, bricht sie collagenartig und spinnt sie weiter: Von ihrer Geburt in Saarbrücken (offiziell 1944), der Begegnung und Heirat mit Fassbinder, ihren Filmrollen (u. a. „Liebe ist kälter als der Tod“) bis zum Beginn ihrer Music Hall-Karriere 1978 im Pariser Pigalle. Dieses Konzert, eine Art mythisches Recital, wird zum Zentrum des Buches, zur Schnittstelle eines Lebens, an die sich Assoziationen, Erinnerungen, Geschichten, Anekdoten und Gedankenfetzen anlagern. Sich selbst bzw. den Ich-Erzähler beschreibt Schuhl übrigens ziemlich selbstironisch als „blassen hugenottischen Juden und abgehalfterten Snob“. François Nourissier, der Präsident der Académie Goncourt, feierte das Buch jedenfalls enthusiastisch als „in aller Freiheit komponierte biografische Oper“. Ingrid Caven, die ab 27. November mit einem großen Recital in den Folies-Bergère gastieren wird, sieht den Erfolg ihrer eigenen Romanwerdung mit gewohnter Gelassenheit: „Ich fühle mich erleichtert, jetzt gibt es vieles, was ich vergessen kann.“

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