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Archiv-Artikel

union und zuwanderung Ruhe vor dem Sturm

Eine Neuauflage des Koch‘schen Ausländerwahlkampfs gab es in Hessen nicht. Anders als vor vier Jahren hat sich der damals so eifrige Unterschriftensammler diesmal beim Schüren fremdenfeindlicher Ressentiments zurückgehalten. Das ist zunächst einmal erfreulich, keine Frage. Danke, Roland Koch. Doch wer darin bereits eine inhaltliche Wende der Union beim Zuwanderungsstreit erkennen möchte, tut dem Hessen zu viel der Ehre.

Kommentar von LUKAS WALLRAFF

Für Kochs Verzicht auf dumpfe Sprüche gab es andere Gründe. Erstens: Er hatte diese Art von Propaganda schlicht nicht nötig. Die Wiederwahl schien ihm auch so gewiss. Zweitens: Koch denkt nicht nur an Hessen. Wenn man irgendwann Kanzler werden will, dann ist es nicht unbedingt von Vorteil, wenn man als Ausländerfeind bekannt ist. Ein „Ausrutscher“ wie der unsägliche Judenstern-Vergleich im Dezember reicht, um sicherzustellen, dass die rechten Stammwähler wissen, was sie an Koch haben. Jedes weitere Wort hätte ihn nur dabei behindert, bundesweit für die Mitte wählbar zu werden.

Der kluge Taktiker Koch hat sich also nicht deshalb zurückgehalten, weil er einsah, dass die Union mit ihrem sturen Widerstand gegen das rot-grüne Zuwanderungsgesetz allein dasteht. Oder weil er plötzlich sein Herz für Integration und Einwanderung entdeckt hat. Sein Schweigen war nur die Ruhe vor dem Sturm. Denn schon bald wird sich Koch entscheiden müssen, wen er im Zuwanderungsstreit wirklich unterstützt: die fundamentalistischen Blockierer um CSU-Chef Edmund Stoiber oder die moderateren Kräfte in der CDU, die eigentlich schon lange eingesehen haben, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und schon aus demografischen Gründen mehr Zuwanderung braucht.

So lange sich CDU-Chefin Angela Merkel aus diesem Richtungskampf heraushält, kann sich Koch überlegen, was wichtiger ist: langfristiges oder kurzfristiges Machtkalkül. Aber viel Zeit bleibt nicht mehr. Schon am 14. Februar muss die Union im Bundesrat Farbe bekennen – und damit auch Koch. Mit den neuesten Vorschlägen aus Bayern ist klar, was Stoiber will: das Zuwanderungsgesetz blockieren und das Staatsbürgerrecht zurückdrehen. Wie extrem sich die Union positioniert, ist auch eine Machtfrage. Noch kann Koch die Fehler der 70er-Jahre vermeiden. Damals hatten sich CDU und CSU zu lange gegen die Ostpolitik gesträubt – und damit den Anschluss an den gesellschaftlichen Mainstream verpasst.

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