und sonst? : Der organisierte Islam
Da die türkischstämmigen Berliner die größte Gruppe unter den Migranten bilden, ist auch der Islam in Deutschland überwiegend türkisch geprägt.
Laut eine aktuelle Studie des Zentrums für Türkeistudien (ZfT) in Essen definiert die Mehrheit der türkischstämmigen Migranten, die zu 93 Prozent dem Islam angehören, sich selbst als religiös. 88 Prozent von ihnen gehören der sunnitischen und 11 Prozent der alevitischen Richtung an. Zwei Drittel sehen sich dabei als eher religiös, lediglich 7 Prozent schätzen sich als sehr religiös ein. Ein Viertel der Migranten stuft sich als eher nicht religiös ein und 3 Prozent empfinden sich als gar nicht religiös.
Es existieren in der Bundesrepublik rund 2.400 Moscheegemeinden. Von denen ist die überwiegende Mehrheit an türkisch-muslimische Dachorganisationen angeschlossen. Der Grund sind die infrastrukturellen Vorteile, wie die Bereitstellung eines ausgebildeten Imams oder Hilfe bei bürokratischen Schwierigkeiten. Es existieren auch eine Reihe von Gemeinden, die keiner übergreifenden Organisation angehören. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 15 Prozent der sunnitischen Muslime in Deutschland organisiert sind.
Es gibt keine konkrete Zahlen darüber, wie viele Berliner Jugendliche die islamischen Vereine aufsuchen. Aus der Umfrage des ZfT ist lediglich bekannt, dass die Altersgruppe zwischen 18 und 29 Jahren unter den Mitgliedern von Moscheevereinen unterrepräsentiert ist. Jugendarbeit hat also auch etwas mit Nachholbedarf zu tun.
Die mitgliederstärkste türkisch-islamische Vereinigung in Deutschland ist DITIB, die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion. Die ZfT-Studie über den Euro-Islam ergibt, dass 72,1 Prozent der organisierten türkischstämmigen Gläubigen in der laizistisch orientierten DITIB organisiert sind.
Laut derselbe Studie sind lediglich 8,3 Prozent der türkischen Muslime mit der vom Verfassungsschutz als islamistisch eingestufte Milli Görüs verbunden. Die restlichen Muslime besuchen mehrere kleinere Vereine, die eher Sektencharakter haben.
Die zumeist weltoffenen Aleviten, die in den Diskussionen über den Islam oft vergessen werden, sind bei der „Föderation der Aleviten-Gemeinden in Deutschland e. V. (AABF)“ organisiert. Das sind 2 Prozent der aktiven Mitglieder von islamischen Vereinen und 0,6 Prozent aller Muslime in Deutschland.
Interessanter wird es aber, wenn die Altersgruppen in den jeweiligen Organisationen untersucht werden. So heißt es in der Studie des ZfT, dass Milli Görüs der Verband der stärker religiös Geprägten sei. Frauen seien hier häufiger als in anderen Verbänden anzutreffen, ebenso die jüngeren Altersgruppen, auch viele in Deutschland Geborene. Von den 18- bis 29-jährigen organisierten Migranten sind 11 Prozent Mitglieder von Milli Görüs, das sind 3 Prozent aller türkischen Migranten dieser Altersgruppe. DITIB dagegen ist eher als „Rentnerverein“ bekannt.
Die ZfT-Studie geht allerdings auch davon aus, dass „das fortdauernde Selbstverständnis als Muslime“ in der zweiten und dritten Generation der Türken in Deutschland die Hinwendung zu modern-liberalen Orientierungen keineswegs ausschließe.
Experten berichten indes, dass Milli Görüs in Berlin starke Konkurrenz bekommt. Die sich auf junge Araber stützende Initiative Berliner Muslime, ein multinationales Netzwerk, dem eine Nähe zur Muslimbruderschaft nachgesagt wird, fasziniert zunehmend auch türkische Jugendliche. „Sie haben die charismatischeren Figuren“, heißt es bei den Beobachtern. CEM SEY