■ Die Statt Partei will bundesweit agieren: ...und morgen die ganze Welt...?
Vielleicht kann bürgerlicher Protest in Deutschland nur so politische Erfolge feiern. Man nehme: den aus Angst vor sozialem Abstieg angestauten Unmut über „die da oben“, über deren nur noch schwer durchschaubaren Polit-Geschäfte, über Vorteilnahme und Pöstchenschacherei. Und gebe hinzu einen charismatischen Führer, der das diffuse Unwohlsein des Bürgertums rhetorisch versiert auf den Punkt zu bringen versteht.
Guido Brunner bemüht dieses populistische Rezept mit seinen Parolen gegen den Moloch Brüssel ebenso wie Markus Wegner in Hamburg. Letzterer ist dem Bayern allerdings schon einen Schritt voraus. Im Rausch des gegen die verschlissenen hanseatischen Kaufmannsparteien SPD und CDU errungenen Wahlerfolgs war es für ihn ein leichtes, sein Gefolge auf sich und seine noch sanft vorgetragenen Bonner Ambitionen einzuschwören.
Wegner gibt die Richtung vor, die Mehrheit der Statt Partei folgt fast bedingungslos. Einzige Ausnahme: Mit seinem Vorhaben, die Rechte der Ausländer in der Statt Partei zu begrenzen, scheiterte der Übervater Hamburger Protestwählertums. So nah wollte man sich nun doch nicht an die „Republikaner“ heranschieben lassen. Es blieb bei jenem Hauch von „...und morgen die ganze Welt“, der im Jubel über den Ausdehnungsbeschluß durchaus zu spüren war.
Sich dem Willen des Chefs zu widersetzen trauen sich in der autoritätsgläubigen Atmosphäre der Wählervereinigung nur wenige. Ein Phänomen, das das hehre Statt-Grundprinzip „Mitbestimmung“ konterkariert und zu dem Wegner mit Prozeßandrohungen und übereilten Parteiausschlußverfahren gegen seine Kritiker in den vergangenen Wochen erheblich beigetragen hat. Folge: Mit der von der Parteiführung betriebenen bundesweiten Expansion der Wählervereinigung gehen erste Erosionserscheinungen an ihrer Basis einher. Die Mitgliederzahlen in Hamburg stagnieren, nach dem Wochenende dürften weitere Austritte zu erwarten sein. Erste Warnsignale, daß dem schnellen Aufstieg der Statt Partei ein ebenso schneller Abstieg folgen könnte. Zumal die Wegner-Truppe in der Hamburger Bürgerschaft bisher in keiner Weise hat deutlich machen können, an welchen Punkten sie sich von ihrem etablierten Koalitionspartner SPD unterscheidet. Die im Wahlkampf getreu dem Populismus-Erfolgsrezept vorgehaltenen Parolen: Transparenz, Bürgerbeteiligung, Kontrolle der etablierten Parteien, lösen sich im Regierungs- und Parlamentsalltag schnell verdient in nichts auf.
Ehe sie alle geplatzt sind, so wird sich Markus Wegner gedacht haben, pusten wir lieber ein paar neue auf. In Niedersachsen, Schleswig-Holstein und anderswo. In diesem Sinne ist der Ausdehnungsbeschluß der Statt Partei durchaus folgerichtig. Uli Exner
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