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...und das Spiel dauert 45 Minuten

■ SV Werder Bremen – Karlsruher SC : Ein verdient mageres 1:0 von Gastautor Otmar Willi Weber

„Wann geht denn hier der Fußball los?“fragten sich die professionellen Beobachter auf dem Weg zum Pausenkaffee und stellten wie selbstverständlich die Gegenfrage: „Hat man in diesem Jahr schon etwas anderes gesehen in der ersten Halbzeit?“

So war es auf der Pressetribüne. In der als Loge getarnten Bonzenbude verzweifelte Andre Wiedeners frischer Nachwuchs ob des Rasengeschehens so dermaßen lautstark, daß Bremens größter Senatstorhüter (ja, der Henning mit der Lizenz zum Trösten), sich das Kleine zur Brust nahm und versprach: In der zweiten Halbzeit wird alles besser.

Ein leicht einzuhaltendes Versprechen, denn es konnte nur besser werden und es ward. Sogar schon in der 48. Minute. Neun Minuten früher als ein Jahr zuvor erledigte Werder den KSC mit einem Kopfball. '96 nickte Marco Bode noch eigenköpfig ein, diesmal überließ er das Arie van Lent und begnügte sich mit der Vorarbeit in Form einer feinen Flanke.

Es soll nicht verschwiegen werden, daß die Karlsruher Abwehrtanne Burkhard Reich ihr Geäst nicht rechtzeitig in die Höhe brachte, sonst hätte sich Arie mit diesem Treffer kaum über seine verschwendeten Tormöglichkeiten trösten können.

Karlsruhe durfte sich gleich mit drei Erkenntnissen trösten:

1. Daß man ohne „Icke“Häßler nicht mehr ist als ein Stuhl ohne Leim: Wehe, es setzt sich einer drauf.

2. Daß die Aussicht auf viel, viel Geld aus Krokodilen Frösche macht. Denn mehr als harmlos rumgehüpft ist Sean Dundee nicht, und wir raten ihm , lieber in Karlsruhe zuzubeißen, als in München den Froschkönig zu spielen.

3. Daß Werder derzeit nicht so gut drauf ist wie Cottbus, denn sonst hätte es eine heftige Klatsche gegeben. Was unterscheidet Cottbus von Werder? Cottbus spielt ständig über seine Möglichkeiten, Werder bleibt ständig drunter. Das war auch gegen Karlsruhe so. Und hätte es sich nicht in den letzten beiden Wochen so glücklich gefügt, daß Werder in Schalke gegen ermattete UEFA-Cup-Ritter mit mehr Dusel als Verstand einen Punkt rettete und Karlsruhe noch im Schockzustand in Bremen antrat, dann würde keiner in UEFA-Cup-Phantasien schwelgen.

Im UEFA-Cup haben nach der Vorstellung am Samstag weder Karlsruhe noch Werder etwas zu suchen, dafür ist die gezeigte (nicht die potentiell mögliche) Fußballkunst zu dürftig. Bei Werder darf mam positiv vermerken, daß man auch mit einer Handvoll jungen Spielern gewinnt, und dabei haben Schierenbeck und Frings sicher stärkeren Eindruck hinterlassen als van Lent (trotz Tor) und Unger. Ramzy, Eilts und dann und wann auch Bode sind derzeit Werders absolute Pluspunkte und kaum zu ersetzen.

Nun wünscht man sich, daß Todt schneller als prophezeit gesund wird und Herzog öfter als bislang zeigt, daß er Fußball spielen kann, und daß Willi Lemke für Sturm und Mittelfeld auf Verstärkungssuche geht, denn Werder braucht dringend einen Mitreißer und Dortmund hat einen, der nicht oft genug aufgestellt wird.

Er heißt „Susi“, zorct nicht lange rum und weiß, daß man bis zur 90. Minute gewinnen kann. Aber vielleicht denkt Willi ja auch: Solange wir solche Spiele gewinnen, brauchen wir weder auf dem Platz noch auf der Trainerbank einen Wechsel.

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