■ Tennis: ...und Gott bespannt schon mal den Schläger
Berlin (taz) – Eigentlich waren die meisten der 12.000 Zuschauerinnen und Zuschauer in den Flinders Park gekommen, um mitzuerleben, wie endlich mal wieder ein Einheimischer in das Finale der Australian Open einzieht. Zuletzt hatte dies Pat Cash 1988 geschafft. Doch die Jubelstürme blieben ihnen schon bald im Halse stecken. Sehr schnell zeigte sich, daß Mark Woodforde gegen Boris Becker nicht die Spur einer Chance hatte und es mit dem erhofften packenden Match wohl auch nichts werden würde. Durch ein nüchternes 6:4, 6:2, 6:0 zog Becker ins Finale von Melbourne ein, jenem Ort, wo er 1991 gegen Ivan Lendl den letzten seiner bislang fünf Grand- Slam-Titel gewonnen und die Spitze der Weltrangliste erklommen hatte. „Selbst wenn Gott auf der anderen Platzhälfte gestanden hätte, wäre er wohl auch von Boris geschlagen worden“, lobte der 30jährige Australier seinen Gegner, der Deutsche selbst sprach davon, daß er „perfektes Tennis“ geboten und „100 Prozent seines Leistungsvermögens“ erreicht habe.
Diese 100 Prozent wird er im Finale am Sonntag auch benötigen, denn sein Gegner befindet sich ebenfalls in bestechender Form. Keinen einzigen Satz hat Michael Chang während des Turniers abgegeben, und auch gegen den favorisierten Andre Agassi blieb er seiner Tradition des Dreierpacks treu: 6:1, 6:4, 7:6 (7:1). „Ich habe großen Respekt vor Michael“, sagt Becker. „Wir sind relativ gut befreundet und trainieren öfters miteinander. Doch ich hoffe, daß es wieder so wird wie in Frankfurt.“ Dort, beim ATP-Finale im letzten November, hatte Chang erst Pete Sampras aus dem Weg geräumt und dann im Endspiel gegen Becker glatt verloren. Es war erst das vierte Zusammentreffen der beiden, dreimal hat Becker gewonnen. „Schon komisch, daß wir schon so lange in der Spitze mitspielen und kaum gegeneinander gespielt haben“, wundert sich Becker, der auch bei einem Sieg Platz vier in der Weltrangliste behalten würde. Die Nummer eins scheint dem 28jährigen aber kein unerreichbares Ziel mehr: „Ich weiß, daß ich ganz nah dran bin.“
Zunächst einmal gilt es jedoch, gegen Chang zu bestehen, der Woodfordes Äußerung auf ganz eigene Art interpretieren könnte. Nicht nur bei seinem bisher einzigen Grand-Slam-Erfolg 1989 in Paris hat Chang Beistand von ganz oben für sich reklamiert.Matti
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