umsonst & draußen : „Wolkengucker“-Kunst für Hastedt
Das ziemt einer Metropole. Man lässt sich einen 3.000 Jahre alten Obelisken schenken, transportiert ihn aus dem ägyptischen Luxor auf den Pariser Place de la Concorde.
Das ziemt auch Bremen, dachte der in Gröpelingen wohnende Bildhauer Gunther Gerlach, als er sich mit 48 KollegInnen bewarb, die Ecke Hastedter Heer-/Malerstraße zu verschönern: eine schäbige Straßenbahnhaltestelle. Dort könne die Obelisk-Idee nur gebrochen verwirklicht, in Asymmetrie übersetzt werden, mag der Künstler gedacht haben. Schon sägt er das obere Drittel seines kantigen Säulenmodells ab und klebt es, dynamisch verkantet, an den Stumpf wieder dran. Geköpfter Obelisk. Hätte also auch gut auf den Guillotinierplatz der Französischen Revolution gepasst.
Soll nun aber 2005 für Hastedt realisiert werden. Vorausgesetzt, die Stiftung Wohnliche Stadt spendiert die Herstellungs-, Material- und Honorarkosten von insgesamt 80.000 Euro. Die Jury des Kunstwettbewerbs begründete ihre Entscheidung für Gerlachs zweigeteilten, 6,70 Meter hohen Holzkörper mit den Worten: „Die Form kann sowohl vom Fußgänger als auch vom Autofahrer als Skulptur wahrgenommen werden.“
Das Fragmentieren einer strengen Form kann aber auch als Zeichen für Zerstörung verstanden werden. Als Metapher für stadtplanerische Brutalität und politischen Zynismus. Seit Mitte der 60er die Malerstraße durch Hastedt hindurchgebrochen wurde, ist das Vorortzentrum zerstört, die Heerstraße als Einkaufsmeile verödet. Nur um den christlichen und jüdischen Friedhof kuschelt sich noch ein kleinbürgerliches Quartier. Dorthin wird Gerlachs Skulptur weisen: Guckt mal, da lebt noch wer.
Neben dem symbolischen Wert soll das Kunstwerk auch einen utopischen haben. Nämlich die Möglichkeit bieten, „der Unwirtlichkeit des Ortes zumindest für einen Moment zu entfliehen“, so die Jury. Denn durch die hohle Obeliskenspitze kann man schauen – wie durch ein Fernrohr. Raus aus Hastedt – rein in die Galaxien. Oder wie das Objekt mit bremischem Understatement betitelt ist: „Wolkengucker“.
Ein klares Statement für einen misshandelten Stadtteil. So macht Kunst im öffentlichen Raum Sinn. Aber muss sie dafür so geometrisch langweilig sein, so brüllend weiß angemalt werden? Die Ödnis des Stadtteils ästhetisch doppeln? Das ziemt sich nicht. fis