umgehauene bäume : Tiefensee pfeift auf die BürgerInnen
Vor dem Hintergrund des Bürgerprotests am Landwehrkanal klangen die Pläne von Bauminister Tiefensee ganz vernünftig. Die Stadt der Zukunft, so der SPD-Minister auf einem Kongress vor zwei Wochen, sei ohne stärkeres bürgerschaftliches Engagement undenkbar. Die Politik müsse dafür stärkere Anreize schaffen. Sonst bestünde die Gefahr, dass die Menschen sich allein gelassen fühlten. Wütend darf sein, wer ihm Glauben schenkte – und jetzt die Stellungnahme der Bundesregierung zu den Baumfällungen liest.
KOMMENTAR VON VEIT MEDICK
Dass sein Ministerium dem Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) wegen dessen umstrittener Fällmaßnahmen nicht in den Rücken fällt, ist bedauerlich, aber erklärbar. Rein rechtlich gesehen ist schließlich am Verhalten des WSA nichts zu beanstanden. Und andere Fehltritte zu monieren, hätte geheißen, sich selbst in die Verantwortung zu katapultieren, ist doch das WSA dem Ministerium untergeordnet.
Tiefensees Kongressideen hatten aber zumindest hoffen lassen, dass der Kanalkonflikt den Minister auf dem Feld der Bürgerbeteiligung umdenken ließe. All jenen Träumern versetzt die Stellungnahme seines Ministeriums jedoch eine Ohrfeige. Wie man sich dort vorstellt, Bürger einzubeziehen, kann man nachlesen – auf genau zwei Zeilen. Das WSA werde die Öffentlichkeit umfassend „unterrichten“, heißt es. Von aktiver Zusammenarbeit oder Ideenaustausch keine Spur.
Demnach dürfte sich Tiefensee dem Kanalstreit nur mit spärlicher Aufmerksamkeit gewidmet haben. Sonst wüsste er, dass er sich selbst ins Knie schießt. Was, wenn nicht die Kreuzberger Initiative, zeigt, wie schnell öffentlicher Ehrgeiz Fachverstand zusammentragen kann, von dem auch staatliche Träger profitieren? In seinen Visionen schwebt ihm dieses Zusammenspiel wohl vor. Im harten Alltag der Politik bleibt er aber ein eiskalter Bürokrat.
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