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Archiv-Artikel

tonspur Harte Kost

Heute gibt es mal wieder einige Preise zu vergeben. Beziehungsweise zu hören. Gekürt wurde Christoph Schlingensiefs Hörspiel „Rosebud“ ja bereits im März mit dem renommierten Hörspielpreis der Kriegsblinden. Seine Polit- und Mediensatire wird in der kommenden Woche auf zwei Kanälen erneut dargeboten. (WDR3, Mo., 23.05 Uhr oder Deutschlandfunk, Di., 20.10 Uhr): Ein ehemaliger Bürgerrechtler und ein Verleger gründen in „Rosebud“ angesichts der ihrer Meinung nach brachliegenden Berliner Medienlandschaft die Sonntagszeitung ZAS (kein Schelm, wer dabei a) an Orson Welles „Citizen Kane“ und b) an die FAS und deren Macher denkt). Die Entführung der Kanzlergattin scheint die geeignete Story zu sein, den politischen Spaßjournalismus der ZAS zu profilieren. Allerdings stellt sich heraus, dass das Ganze bloß ein Fake ist. Von nun an wird es turbulent bis zur Schmerzgrenze – Exterroristinnen, durchgeknallte Reporter, Peniskrebs und jede Menge Lärm machen „Rosebud“ zu einem irrsinnigen Spektakel.

Eine etwas bescheidenere, aber immerhin Auszeichnung darf das Hörspiel „Combray“ verbuchen. Die Produktion des Bayerischen Rundfunks wird zum Hörspiel des Monats getunt. Vor einigen Ausgaben habe ich ja schon an dieser Stelle die radiophone Umsetzung der Kindheitserinnerungen von Marcel Proust gepriesen – wer es damals versäumt hat, dem raunenden Sylvester Groth als Erzähler zu lauschen, kann das jetzt nachholen (Sa., Teil zwei und drei, 20.05 Uhr, Deutschlandfunk).

Und schließlich gibt es noch einen Geadelten der literarischen Art. Der Lyriker Albert Ostermaier, frisch gebackener Kleist-Preisträger, schreibt nämlich nicht nur Gedichte, sondern auch Hörspiele. Sein Stück „Vatersprache“ kommt im Bayerischen Rundfunk zur Uraufführung. Der Sohn (Christoph Zapatka) kommt in die leere Wohnung seines verstorbenen Vaters, den er nie kennen gelernt hat. Er verfällt in ein inneres Zwiegespräch, in das Erinnerungen und Gegenwärtiges, Vorwürfe und Wünsche gleichermaßen einfließen. Die unterschiedlich aufgenommene Stimme des Sprechers erzeugt das Gefühl beim Hörer, tatsächlich Zeuge einer Unterhaltung zu werden. Dabei sind es „bloß“ die verschiedenen Seelen, die, ach, in der Brust des Sohns toben und während der Suche nach einem Bild des unbekannten Vaters sprachlichen Ausdruck finden. Nicht ganz leicht, diese Vater-Sohn-Geschichte, aber immerhin ergreifend. Und von einem Kleist-Preisträger (Mo., 20.30/Di., 15.00 Uhr, BR2).

VERONA VON BLAUPUNKT