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Archiv-Artikel

tiefer purpurglanz von JÜRGEN ROTH

Zum ersten Mal seit vier oder sechs Jahren packt einen der Rappel des Spießers, und man fährt seinen alten Wagen zur Waschanlage. In der Frankfurter Schmidtstraße steht eine. Man rumpelt in die Einfahrt, tuckert durch die „Vorwäsche“ und hält vor der Waschstraße.

Vor dem Wagen lungern zwei Hilfskräfte mit Wasserstrahlern und Bürsten herum. Man dreht die Scheibe runter, der Chef schlurft heran, man reicht ihm das Entgelt.

Auf dem Beifahrersitz liegt zufällig eine CD. Seit Tagen. Der Wagen hat nicht mal einen CD-Player. Keine Ahnung, was „Come Hell Or High Water“ da verloren hat. Cheffe nimmt siebeneinhalb Euro entgegen, und sein angesichts des vorgerollten ollen Blechs mitleidsvoll-missmutiger Blick fällt ins Wageninnere. Cheffes Mundwinkel verziehen sich, nach oben. „Ist das Ian Gillaaan?“ Auf der Rückseite von „Come Hell Or High Water“, einem Livemitschnitt der letzten Tournee, die Deep Purple im Herbst 1993 mit Ritchie Blackmore hinter sich gebracht hatte, ist Ian Gillan zu sehen, wie er besonders vergnügt und kraftfroh das Mikrofon in die Luft stemmt. Das Foto konnte schon immer gefallen. Es drückt die seltsam angestrengte, aber auch entspannte Stimmung aus, die Purple auf ihren wahrscheinlich besten, verspieltesten und zugleich aggressivsten Konzerten seit der Reunion 1984 zu jenen Improvisationsaus- und Höhenflügen begleitet und geführt hatte, die eine der besten, verspieltesten und aggressivsten Bands der Rockgeschichte in ihren besten, verspieltesten und aggressivsten Momenten in den Siebzigerjahren ausgezeichnet hatte.

„Ist das Ian Gillaaan?“ Cheffe war hin und wie weg vom Fenster. „Ja“, antwortete man, und man war überwältigt. Man hätte weinen können. Brüllen, jauchzen. Man hätte jubilieren und quietschen können. Vor Verwunderung. Vor Glück. Vor sonst was. Denn wer kannte und erkannte denn heute, außerhalb der Musikbranche und außerhalb expertokratischer Zirkel, noch Ian Gillan? Und meckerte dann nicht herum, er und die anderen ollen Krawallmacher und Schweinepriester sollten doch bitte in den berühmten, in den „überfälligen“ Rockerruhestand wechseln?

„Ja, Ian Gillan.“ – „Der Beste!“, rief Cheffe entzückt und entrückt, und er wiederholte: „Das ist Ian Gillaaan!“

Man reichte ihm die zerkratzte CD-Box. Er nahm sie vorsichtig in die Hand. Ein öliger Finger wanderte über die Setlist. „Supersongs. Die Besten“, sprach er nun mehr zu sich, und sein breites Grinsen verwandelte sich in ein gütiges Lächeln. Recht besehen, überzog Cheffes Overall in der Vorabendsonne jetzt ein Purpurschimmer.

„Ja, Supersongs, die Besten“, sagte Cheffe, schaute den verdutzten Insassen eines verdotzten Golfs an, reichte die CD zurück und gab seinen Untergebenen mit der linken Hand ein Zeichen.

Man kurbelte die Scheibe langsam, fast in Trance wieder hoch. Cheffe trat ein paar Schritte vor und stand vor dem Wagen. Er riss die Beckerfaust in die Höhe und wies die Knechte laut, stark und stolz an: „Volles Programm! Das Beste für diesen Mann!“ Die beiden schrubbten wie Berserker Blackmore in seinen besten Zeiten.