tief in bayern (teil 3) : Der Holzwurm Rudi
Vor 22 Jahren kämpfte Rudi Sommer in Wackersdorf. Jetzt kämpft er für Ökologie im Alltag der Oberpfälzer
Am Sonntag wählt Bayern eine neue Regierung. Die taz erzählt bis dahin täglich eine Geschichte aus diesem besonderen Bundesland.
Zwei haben den Mann an den Armen gepackt, ein Dritter fasst an der Jacke an. So zerren sie ihn über den Waldboden. Der Mann am Boden hat die Augen weit aufgerissen.
„I hab eine solche Wut g’habt.“ Das Schwarzweißfoto liegt vor Rudi Sommer, 22 Jahre ist das her. Wackersdorf, der Plan einer Wiederaufarbeitungsanlage für die Atomkonzerne, Grüne fingen an, der Landrat von der SPD stieg ein, ein Professor, dann die Bauern, schließlich ein Großteil der Bevölkerung.
Und jetzt? Kämpft Sommer als Landtagskandidat dafür, dass die Grünen in der Oberpfalz auf 5 Prozent kommen. „Die Vergesslichkeit von den Leuten – da ist das einfach schade. I werd’s net vergessen.“
„Bayern wird alles für die WAA tun“, hat Franz Josef Strauß 1985 gepoltert. „Die WAA war nie ein bayerisches Steckenpferd“, hat sein Nachfolger Max Streibl drei Jahre später behauptet. 2007 haben Stoibers Leute fürs Solarzeitalter mobilisiert und jetzt wieder für längere Laufzeiten der Atomkraftwerke. Die CSU ist wendig, es geht hin und her, auch in der Bevölkerung und es ändert sich trotzdem nichts, jedenfalls nicht für einen, der das Klima retten will, denn so steht’s auf seinem Plakat: „Klima retten. Sommer wählen.“
Sommer ist vor 52 Jahren auf einem Hof in der Oberpfalz geboren, sein Vater war Kuhmelker. Er wurde Finanzbeamter, er wohnt in Bruck, nur ein paar Kilometer von Wackersdorf entfernt. Das Haus liegt zwischen Maisfeld und Karpfenweiher, es ist ganz aus Holz, außen Lerche, innen Fichte, schwerer Buchentisch, im Ofen brennt Holz vom Grundstück. Sommer sagt: „I bin a richtiger Holzwurm.“
Weil die Polizisten, die vor 22 Jahren sein Haus stürmten, das mit dem Holzwurm nicht wussten, haben sie die Motorsäge beschlagnahmt. Er hat ihnen dann gestanden, dass der Brunnen eine Abschussbasis für Raketen ist. Er grinst. „Da hab’n die neig’schaut.“
Andere Geschichten sind weniger spaßig, zum Beispiel wenn Sommer erzählt, wie die Berliner Einheiten in die Menge schlugen, dass Blut spritzte. Oder wie das Tränengas gebissen hat und wie er ihnen eine Gaspatrone zurückschickte. „Es war wie Krieg.“
In Tschernobyl ging ein Reaktor hoch, der Investor zog zurück, Strauß starb. Aus dem WAA-Gelände wurde ein Industriegebiet, es heißt Innovationspark, das ärgert Sommer, weil dort für die CO2-Schleudern von BMW produziert wird. Er baute sein Holzhaus aus, zog zwei Kinder groß, Sonnenkollektor und Solarzellen aufs Dach, Wände gedämmt.
Aber die Leute machen es ihm nicht nach, sie verbrauchen den Strom mit Lust, und jeder will ein schnelles Auto. „D’ Leit sog’n: Der Rudi red doch Krampf“, sagt Sommer und schaut verkracht aus.
Und am Sonntag? Von den Oberpfalz-Grünen wird eine Frau in den Landtag gewählt werden, sie kandidiert in Regensburg, dort wählen Studenten die Grünen. Und der Holzwurm Rudi wird in seinem Haus hinterm Maisfeld hocken und an den Krieg von Wackersdorf denken.
Wird er? Moment. Er sitzt ja im Kreistag von Schwandorf. Dort hat die CSU keine Mehrheit, und die anderen brauchen Sommer. Einen Antrag hat er schon fertig: Umstieg der öffentlichen Gebäude auf Ökostrom. Dann kommt die Wärmedämmung. „Und dass ma die Krankenhäuser mit Ökofutter versorgt.“ GEORG LÖWISCH
Morgen: Nah an Tschechien, weit weg von München. In Arzberg in Oberfranken fühlen sich die Leute vergessen.