piwik no script img

themenläden und andere clubsIn Adelskreisen ist neuerdings ein wachsendes Interesse an fiktiven Anthologien zu verzeichnen

DIE WELT IN AUSZÜGEN

Adlige sind ja was ganz Feines. Ich kenne zwar kaum einen persönlich, aber hin und wieder darf ich ich dennoch spaßige Ereignisse mit ihnen erleben.

Zum Beispiel kam ich heute nach Hause, und ein mir unbekannter Adliger namens Karl v. (für von!) Westerholt hatte fast meine ganze Faxpapierrolle aufgebraucht, um mir wichtige Informationen über sich zu schicken. Und dabei ist dieses Faxpapier so schrecklich umweltschädlich, und wir dürfen doch mit der Welt nicht so umgehen, als ob wir noch eine zweite im Kofferraum hätten, wie Rocko Schamoni, wenn ich mich recht erinnere (und ich neige dazu, diese Zeit nur sehr nebulös zu erinnern) es mal so schön formuliert hat. Aber Adligen ist das ja egal, wir schreiben wohl eh nur auf feinstem Büttenpapier mit Wasserzeichen, was, Herr von Westerholt? Mit einem Gänsekiel womöglich, und aus dem Rest der Gans machen wir Stopfleber, hmmm?

Jedenfalls, der Adlige Herr von Westerholt hat mir etwas über seine fotografische Arbeit „Die Welt in Auszügen“ gefaxt, die, so wohlformuliert er, „seit 1990 im Entstehen begriffen“ ist, obwohl sie „ursprünglich nicht als Lebenswerk“ geplant sei. Er redet noch eine Weile so weiter, der untadelige Adelige (hö!), um dann anzumerken, dass „jede Folge dieser Arbeit eine Art fiktive Anthologie zu einer bestimmten Erscheinung unserer Welt sein“ will, aber „die Betonung liegt auf fiktiv“, betont der ominöse Graf. „Ich gehe nicht tatsächlich anthologisch vor. Was mich interessiert, sind fiktive Anthologien.“

Bingo, Herr Freiherr, damit haben Sie tatsächlich auch meine Leidenschaft getroffen! Denn Ihr müsst wissen, mein Fürst, ich interessiere mich (neben Ü-Ei-Börsen und Weinkorkensammeln) für nichts so sehr wie für fiktive Anthologien, mit der Betonung auf fiktiv. Ich kann gar nicht genug kriegen von ihnen! Der Herzog hat mir noch einen Lebenslauf hinterhergefaxt und einen freundlichen Brief: „Sehr geehrte Frau Zylka! In dem Fax, das ich Ihnen vor wenigen Minuten gesendet habe, hat das Wichtigste gefehlt!“ Was denn? Die Ergebnisse des Bluter-Tests? Sein Familienwappen? Fotos von der herzoglichen Reitgarde? Nein, die Daten seiner Ausstellung, die ich gemeinerweise jetzt hier unterschlage, damit mich das Haus von Westerholt mein ganzes Leben lang ächtet. Darunter steht: „Verzeihen Sie bitte die Umstände!“ Aber nein, Herr von Westerholt, es macht mir doch keine Umstände!

Wisst Ihr was? Wir sind quasi Adelskollegen, Ihr und wir, gestern war ich nämlich auch für einen Abend adelig, jawohl. Gestern, da wollte ich in einen Club und sollte auf der Gästeliste stehen. Ich sage also zum bulligen Türmann „Jenni“. Und er sagt „Von?“ und meint, von welchem Medium bzw. wer von den Idiotenveranstaltern hat die denn überhaupt auf die Liste gesetzt? Und ich überlege kurz und sage mit gewinnendem Lächeln: „Freifrau Jenni Edle von und zu Zylka“. Dann raffe ich meine Schleppe, winke meinem Hofstaat, klappe meinen Fächer auf und tripple auf goldenen Schühchen in den Tanzraum. Wie findet Ihr das, Prinz von Westerholt? Steht den Häusern Zylka und von Westerholt vielleicht doch noch eine große Zukunft bevor? Sollen wir nicht gemeinsam ein paar Fürstentümer befrieden oder zumindest mal eine Party schmeißen, auf der die Damen Kleider silbern wie der Mond, gülden wie die Sonne und diamanten wie die Sterne tragen? Und Rocher essen? Wenn Ihr möchtet, mein Prinz, dann schickt bitte einen berittenen Boten zur taz.JENNI ZYLKA

P.S.: Der tolle Mann auf den H & M-Plakaten ist übrigens der Schauspieler Benito Del Toro. God gave him only one eyebrow.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen