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Und es ward arrobe

Nun, da sich das Jahr unaufhaltsam seinem unvermeidlichen Ende entgegen neigt, ist es wieder Zeit, Rückschau zu halten, zu resümieren und zu fragen: Was hat 2002 der Menschheit gebracht? Was durfte sie für 2003 aus den vergangenen zwölf Monaten lernen? Zu den zahlreichen Phänomenen, Moden und Trends, die an dieser Stelle eingehend verhandelt wurden, zählten unter anderem die Tücke der Beckham-Frisur, die Rückkehr der Toga-Partys sowie das Speed-Dating. Grundsätzliches wurde in den Kolumnen zur Grillparty, zum Brottrunk und dem Wasseranteil im Kaffee geklärt, während die Anmerkungen zu Vorstellungsgesprächen, Winterjacken und den geheimen Tipps und Tricks bei der Spargelzubereitung von durchaus nützlicher Natur waren.

Zwar werden manche einwenden, dass sich das vergangene Jahr wohl kaum auf eine Summe aus Spargel, Frisuren und Wellness-Drinks reduzieren lässt, dass vielmehr die Bundestagswahl, die Haushaltsmisere und der Reformstau die prägenden Themen waren – doch das ist wie so häufig viel zu kurz gedacht. Denn wenn man bedenkt, dass es der Forschung mittlerweile gelungen ist, ein unbegrenzt haltbares Hühnchensandwich zu entwickeln, wird im Vergleich dazu selbst die Massenarbeitslosigkeit zu einem vergänglichen Problem.

Weil damit hinreichend geklärt sein dürfte, dass es nicht die großen, sondern vielmehr die scheinbar nebensächlichen Dinge sind, die die Lebenswirklichkeit prägen, kommen wir nun zu einer anderen und ganz besonders nebensächlichen Angelegenheit, von der derzeit noch niemand weiß, wie sehr sie auf den Alltag wirkt.

So hat nämlich in unserem Nachbarland Frankreich die Kommission zum Schutz und zur Pflege der französischen Sprache unlängst beschlossen, das schöne „@“-Zeichen nicht mehr „ät“ zu nennen, sondern „arobase“ oder „arrobe“. Trotz unterschiedlicher Schreibweise sollen nach dem Willen der Kommission allerdings sowohl „arrobe“ als auch „arobase“ streng “arrobe“ ausgesprochen werden – und genau darin besteht das Problem. Denn der gemeine Franzose, der schon längst dem „@“-Zeichen als „ät“ abgeschworen hat, um voll und ganz auf das Wörtchen „arobase“ zu setzen, hat sich verständlicherweise darauf verständigt „arobase“ „arobase“ auszusprechen. Die Kommission weist allerdings daraufhin hin, dass sowohl „arobase“ als auch „arrobe“ auf auf das alte spanische Gewichtsmaß „arroba“ zurückgehen, und „arobase“ folglich nicht viel taugt.

Doch im Gegensatz zur Kommission hat der gemeine Franzose noch nie etwas von diesem spanischen Gewichtsmaß gehört, weshalb der Kommissionsentscheid der breiten Öffentlichkeit nur schwer vermittelbar ist. So erklärte die Sprachwissenschaftlerin Christine Ouvrard in der Tageszeitung Libération: „Niemand sagt arrobe“, und brachte damit das allgemeine Unverständnis ihrer Mitbürger auf den Punkt. In diesem Sinne: Viel Spaß in 2003!

HARALD PETERS

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