theater : Maden, die in Leichen Walzer tanzen
Die Pathologie hat Zukunft, meint „Körperwelten“-Guru Gunther von Hagen (gespielt von Thomas Franke), auch bekannt als „der Plastinator“: Im bodygestylten 21. Jahrhundert sind Psychologie und Philosophie nutzlos – wer großes Gedankengut für die Ewigkeit bewahren will, sollte die Körper der Geistesgrößen konservieren. Und genau das will er tun: Von einem „pathologischen Pantheon“ träumt der streitbare Anatom im Bühnenstück „Obduktion Bernhard“, und der österreichische Dramatiker Thomas Bernhard soll den Anfang machen.
Fünfzehn Jahre lag Bernhard in verhasster österreichischer Erde, nun will ihn der Plastinator erretten. Während unsichtbare Arbeiter bei Nacht und Nebel die Leiche ausbuddeln, um sie in einem Gemüsewagen abzutransportieren, unterhält sich von Hagen in der Leichenhalle mit Herrn Knocke (Dirk Roß), seinem „Spezialagenten“ für die illegale Aktion.
Über die allgemeine Verwurstung der Kultur doziert der erboste Professor. Und über Fleischermeister, die im Wurstkeller Operetten singen. Doch auch um Maden geht es, die in Leichen Walzer tanzen – Sinnbild einer verwesenden Gesellschaft. Nach und nach wird klar: Hier spricht Thomas Bernhard selbst, zum Teil in Originalzitaten. Nicht nur der Körper des Dichters, auch sein Geist kommt neu ans Tageslicht im Laufe von Martin Rubins grotesker „Obduktion Bernhard“.
Ob es nun der latente Faschismus ist, der die österreichische Gesellschaft langsam verrotten lässt, oder das einsame Sterben der Menschen – in seinen Stücken hat sich Thomas Bernhard vielfach mit Tod und Verwesung beschäftigt.
Bei Rubin treffen körperlicher und geistiger Tod zusammen, wird der Pathologe zum Sprachrohr des Dichters. Und zwar mit echt Bernhardscher Arroganz: Schriftsteller sind „Krokettenreimer“, die meisten Menschen frei laufender „Sezierabfall“ und Handys eine „permanente öffentliche Beichte“.
Es sind diese sprachlichen Bilder, die aus dem Zwei-Mann-Stück einen witzigen und lohnenswerten Abend machen, auch wenn der zunächst etwas schwer in Gang kommt. Hat man sich einmal an die recht statische Inszenierung (Martin Schnick) und das scheinbar planlose Schwadronieren des Herrn Professors gewöhnt, tun sich tiefere Bedeutungen auf – von Menschenleben und Totenruhe, von Unkultur und Bratpfannenmord, von Wirsing und Wahnsinn.
Holger Möhlmann
„Obduktion Bernhard“: 25. März, auch 14. und 15. April, jeweils 21 Uhr, Gebäude 9, Deutz-Mülheimer-Str. 1127-129 in Köln, Tel. 0221 / 81 46 37