theater : Vorlesung in Existenzphilosophie
Bildungshungrige aufgepasst! Wer sich schon immer mit den drängenden Fragen des Lebens herumquälte (Gibt es den Teufel? Kann er sprechen? Was zum Teufel will er mir sagen?), bekommt die lang gesuchte Antwort: „Die Stunde des Teufels“ heißt ein Theaterstück, das ein Kreis von SchauspielerInnen um das Kölner Galeristenduo Frank Henseleit und Petra Buchholz zur Zeit in der Orangerie am Volksgarten auf die Bühne bringt.
Obwohl – ein Stück ist es eigentlich nicht. „Die Stunde des Teufels“ heißt eine Erzählung des portugiesischen Dichters Fernando Pessoa (1888-1935), die Frank Henseleit übersetzt und zusammen mit Regisseur Uwe Hotz für die Bühne adaptiert hat. Und das merkt man. Dies ist kein Stück, sondern eine dramatisierte Vorlesung in Existenzphilosophie. Ein metaphysischer Leistungskurs mit verteilten Rollen.
Der Teufel (Peter Willi Hermanns) besucht einen Maskenball. Aber ist es wirklich Luzifer? Oder nur ein Herr im feuerroten Glamourfrack? Und wer ist Maria (Alexandra von Schwerin)? Die heilige Jungfrau (weißes Kleid, blauer Schleier)? Oder nur eine schwangere Frau allein auf einem Fest? Zwischen Discokugel und schwarz-weißen Dekofedern (Petra Buchholz) entwickelt sich eine Salonplauderei. Das heißt: Der Mann in Rot redet auf Maria ein. Spricht eine teuflisch lange Stunde in kryptischen Aperçus darüber, dass er nur in den Köpfen der Menschen existiert. Sanft schmeichelnd und verführend zieht der Teufel sein Gegenüber in die eigene Motivgeschichte hinein, spricht in Konjunktiven und Paradoxa, doziert und deklamiert, selbst der erhobene Zeigefinger bleibt keine bloße Metapher. Marias Sohn (autistischer Sinnsucher wie Professor Hastig aus der Sesamstraße: Torsten Peter Schnick) wird später beunruhigende Träume von roten Herren haben. Und seine Mutter fragt zu Recht: „Was reden Sie da immerfort?“
Pessoa war ein Denker. Seine kulturkritischen Ideen Seite für Seite in einem Buch nachzuvollziehen, ist sicher spannend und lohnenswert. Für eine tiefschürfend-poetische Inszenierung im typischen Orangerie-Stil taugen sie nicht. Zu viele Pferdefüße. Holger Möhlmann
„Die Stunde des Teufels“: nächste Vorstellungen: 15., 20., 21.1., jeweils 20 Uhr, Orangerie Köln, Volksgartenstr. 25, Tel. 0221/952 27 08