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Archiv-Artikel

theater Papierwahnsinn, Bürotratsch und Zickenterror

Sie sitzen am Schreibtisch, auf Terrassen aus Leitzordnern, und kombinieren stimmgewaltigen Gesang mit Tipp- und Tackergeräuschen: acht bebrillte Damen im Großraumbüro, zu sehen und zu hören in Franz Wittenbrinks Revue „Sekretärinnen“ am Kölner Theater der Keller. Jede verkörpert einen anderen Typ Vorzimmergewächs: die Tugendwächterin im Tweedrock, die eingebildete Planschkuh, das schwangere Blondchen auf dem Gesundheitshüpfball, die heimliche Trinkerin.

Gesprochen wird kein Wort in diesem Singspiel. Stattdessen begleiten Chansons und Schlager, Punksongs und Operettenmelodien das Publikum durch einen beschwingten Bürotag, in dem alles vorkommt: Papierwahnsinn und Zickenterror, sozialer Stress und Ausbruchsphantasien, Bürotratsch und Büroschlaf. Ruft der Chef, dann ist Rotalarm, aber in der Kaffeepause klimpern acht Kostümträgerinnen die „Schöne blaue Donau“ von Johann Strauß mit dem Löffel an die Kaffeetasse.

Die Damen träumen vom Märchenprinzen, doch der einzige reale Mann vor Ort ist der schmierige Graukittel aus der Poststelle. Auch hier hilft nur Gesang: „Eine kleine Sehnsucht“ intoniert der Tippsenchor, und während die Tugendwächterin dabei ihre Topfpflanze anlächelt, schiebt ihre Kollegin den Prittstift zum Phallus hoch. Die Damen sind eben alles auf einmal: tagträumende Mäuschen zwischen Ablagekorb und Diktiergerät, dann wieder wilde Weiber, die es lustvoll mit der eigenen Schreibmaschine treiben.

Regisseurin Kathrin Sievers gelingt eine schrille, handwerklich gute Inszenierung, die mit vielen Überraschungen und sauberen Details aufwartet. Dass hier jedes noch so angestaubte Sekretärinnenklischee aus der Mottenkiste gezerrt wird, kann im Rahmen einer Musikrevue kein Vorwurf sein.

Gesanglich schwanken die Darbietungen der acht Bühnentippsen zwischen dünnem Stimmchen und echtem Highlight, im komischen Gesamteindruck fallen solche Diskrepanzen jedoch kaum ins Gewicht. Diese Inszenierung bietet alles, was zu einer echten Revue gehört, ist leichte Muse, ohne seichter Unsinn zu sein. Ein konzertanter Spaß für Leute, die auch mal einen Abend ohne Tiefgang auskommen. HOLGER MÖHLMANN

„Sekretärinnen“, Theater der Keller, Kleingedankstr. 6 in Köln, Tel. 0221/ 31 80 59, nächste Vorstellungen: 31.3 sowie 1. bis 3. 4, jeweils 20 Uhr