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taz.adventskalender Die 22 Wir wünschen uns . . . mehr Stadtkinder

Das Leben ist ein Wunschkonzert: Stimmt leider nicht ganz, aber zumindest im Advent werden Sehnsüchte, Hoffnungen – Wünsche eben – geäußert. Auch an dieser Stelle in der taz, bis zum 24. Dezember jeden Tag.

Wer jemals beispielsweise in Lateinamerika unterwegs war, wird sich als Deutscher gewundert haben, mit welcher Selbstverständlichkeit Kinder allgegenwärtig sind. Gehen Sie mal abends um elf in ein argentinisches Restaurant Ihrer Wahl. Da wuseln Ihnen die Dreijährigen zwischen den Beinen herum, während Sie Ihr Steak verputzen.

In Deutschland dagegen herrscht eine strenge Apartheidspolitik, die Kinder aus dem normalen gesellschaftlichen Leben weitgehend aussperrt – und mit ihnen natürlich die zugehörigen Eltern. Sogar in Berlin, das doch eigentlich mit seinen internationalen Einflüssen, seiner Weltoffenheit und Größe alle Möglichkeiten hätte, eine Vorreiterrolle einzunehmen. Aber nichts ist. Wer hier abends mit Kindern ausgeht, wird wie ein Alien betrachtet. Wenn überhaupt, haben Kinder stramm, schweigend und möglichst unauffällig am Tisch der Eltern zu sitzen. Oder besser noch, sie bleiben gleich Indianern in ihren Reservaten schön unter sich.

Gehen Sie mal abends um elf in ein argentinisches Restaurant Ihrer Wahl

Angesichts dieser Rahmenbedingungen darf man sich nicht wundern, wenn viele junge Eltern so bescheuert werden,wie sie sich nun einmal gerade in Berlin gerne geben, mit ihrem Mikrokosmos, der nur noch um die eigene Brut kreist. Also, Kinder nicht an die Macht, sondern raus in die Kneipen, Restaurants, Veranstaltungen, ins pralle Leben eben. Wenn sich in der Folge dann all die indigniert guckenden Schnösel genervt von dem Getrippel zukünftig in ihre Wohnungen zurückziehen – Berlin wäre ein besserer Ort. Heiko Werning

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