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taz wirdVom Gnadenhof für Klimabewegte

Der taz Salon fragt, wie sich die Klimabewegung aufrappeln kann, wenn Weltretten out ist

Man kann auf Partys lange darüber reden, ob die Flugscham vorbei ist und ob das ein Verlust ist oder nicht. Man kann lange darüber reden, ob mit dem Zerbrechen der Ampel die Chancen für Klimapolitik gesunken sind, oder mit Blick auf die USA die Hoffnung auf globalen Klimaschutz ganz begraben. Interessanterweise redet man oft nur über das eine oder nur über das andere. Dabei sind individuelle Klimaschutzanstrengungen und politische Veränderungen kein Gegensatz; in der Praxis werden sie aber oft gegeneinander ausgespielt – mit fatalen Folgen.

Jetzt, wo strukturelle und individuelle Klimaschutzanstrengungen gleichermaßen stocken, stellt sich die Frage, woher neuer Schwung kommen kann. Was bedeutet es, wenn Mitglieder der Letzten Generation mit dem Aktivismus aufhören, um stattdessen einen Gnadenhof für Schlachttiere zu betreiben? Und was für ein Zeichen ist es, wenn Menschen, die sich von der Größe der notwendigen Transformation überfordert fühlen, schüchtern darauf hinweisen, dass sie doch ihren Müll trennen und Pfandflaschen kaufen?

Der Streit um die Bedeutung des individuellen Lebensstils beim Klimaschutz ist alt und glaubt man Kri­ti­ke­r:in­nen ist er vor allem eines: eine perfide Ablenkungsstrategie. Der US-Klimatologe Michael Mann etwa hat nachgezeichnet, wie fossilfreundliche Medien versuchen, Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen mit Verweis auf ihren persönlichen Lebensstil zu diskreditieren. Damit werde planmäßig versucht, vom eigentlichen Ziel abzulenken: dem dringend notwendigen politischen Umsteuern. Er verweist sogar auf Studien, wonach Proband:innen, die sich individuell um Klimaschutz im Haushalt bemüht haben, skeptischer gegenüber staatlichen Maßnahmen sind. In Deutschland wiederum hat die Bild-Zeitung ausführlich auf die Urlaubsflüge zweier Mitglieder der Letzten Generation eingedroschen. Wer selbst fliegt, so die Botschaft, kann nicht glaubwürdig eine Erhöhung der Kerosinsteuer fordern. Laut Michael Mann ist das ein Schuh, den sich die Letzte Generation nicht anziehen muss.

taz Salon „Muss ich die Welt alleine retten?“: Am 10. 12., 19 Uhr, Kulturzentrum Lagerhaus, Bremen. Mit Anika Heck von Psychologists 4 Future, Jan Hegenberg, Autor von „Klima-Bullshit-Bingo” und Rolf Meyer, Sprecher der Letzten Generation. Es moderiert taz-Redakteurin Friederike Gräff

Anmeldung bitte unter taz.de/salon

Was bewirken persönliche Konsumentscheidungen, wenn die Strukturen sich kaum bewegen? Zeitgewinn für die Politik? Eine Wirksamkeitserfahrung, die die Einzelnen dazu befähigt, den zähen Kampf um strukturelle Veränderungen aufzunehmen? Oder doch nur Flucht ins Private? Und schließlich: wie schnell kippt der klimafreundliche Lebensstil von der Inspiration für andere hin zum elitären Distinktionsmerkmal? All das wird Thema am Dienstag im taz-salon in Bremen sein – herzliche Einladung! Friederike Gräff

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