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taz verunglimpft Parlamentsmehrheit -betr.: "Denkwürdige Mehrheit stürzt Senator Fücks", taz vom 24.2.95

Betr.: „Denkwürdige Mehrheit stürzt Senator Fücks“, taz vom 24.2.95

Ihr Redakteur Jochen Grabler hat ohne Zweifel Verdienste erworben mit Recherchen und journalistischer Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus. Er behandelt Rechtsextremisten als politische Gegner – soweit ok. Aber er läßt sich gelegentlich dazu hinreißen, umgekehrt politische Gegner als Rechtsextremisten zu behandeln und damit zu disqualifizieren. Kürzlich hat er die Wählergemeinschaft „Arbeit für Bremen“ in die DVU-Ecke gestellt. In seinem Artikel „Eine denkwürdige Mehrheit stürzt Senator Fücks“ verunglimpft er eine veritable Parlamentsmehrheit als „denkwürdig“. Er meint damit erkennbar „anrüchig“, DVU-infiziert, nur weil sechs der DVU angehörende oder von der DVU herkommende Abgeordnete im Sinne dieser Mehrheit gestimmt haben. Wie hätte die taz denn getitelt, wenn das Parlament das Mißtrauensvotum mehrheitlich mit den DVU-Abgeordneten abgelehnt hätte? „Senator Fücks von einer denkwürdigen Mehrheit im Amt bestätigt?“

Eine seriöse Betrachtung und Bewertung kann die DVU- und NK-Stimmen doch nur neutralisieren, d.h sie keiner der beiden Seiten zurechnen. Dann hätte es bei den verbleibenden 94 Abgeordneten 48:45:1 gegen Fücks gestanden, das ist eine klare demokratische Mehrheit gegen ihn.

Herr Senator Fücks (in seinen rücktrittsbegründenen Worten) und die taz sollten nicht an einer (Dolchstoß-)Legende einer unheiligen Allianz (in der taz als „Koalition“ bezeichnet) mit dem Rechtsextremismus stricken. Es entsteht der Eindruck von schlechten Verlierern. Daß die Abstimmungsniederlage „ehrenhaft“ (Martin Thomas) und „keine Schande“ (Ralf Fücks) war, steht für mich völlig außer Frage. Aber man sollte die Ehrenhaftigkeit nicht in Verbindung zum Abstimmungsverhalten der (Ex-)-DVU'ler bringen.

Hartwin Meyer-Arndt

Anm. der Red.: Beim ersten (gescheiterten) Mißtrauenvotum gegen Fücks schrieb die taz am 17.6.93: „Im Klartext: Nur mit den beiden Stimmen der EX-DVU-Abgeordneten kam Fücks über 50 Stimmen.“

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