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Archiv-Artikel

taz-serie: „ware umwelt“, teil 3 Dreck wird zur Ware: Wer mit der Lizenz zum Luftverschmutzen handelt, kann am Ende die Umwelt schonen

Kaufe eine Tonne Schwefeldioxid

Historisch gesehen ist die Umweltpolitik eine Politik der Regeln und Verbote für Fabrikbesitzer. Dabei müssen alle dieselben Grenzwerte einhalten, egal wie alt oder neu die Anlage ist. Ökonomen argumentieren schon lange, dass man die Kosten für solche Umweltmaßnahmen erheblich drosseln kann, wenn man marktwirtschaftlich an das Problem herangeht – und die Umwelt zur Ware macht.

Bereits 1968 entwickelte der kanadische Ökonom John Dales in seinem Werk „Pollution, Property And Prices“ die Idee des Emissionshandels. Der Grundgedanke: Statt jedem Unternehmen eine feste Emissionsgrenze aufzuerlegen, gibt es eine Gesamtgrenze für alle. Jede Fabrik bekommt dann für einen bestimmten Schadstoffausstoß entsprechend ihrer Produktion eine Lizenz. Der Trick: Diese Verschmutzungslizenzen sind frei handelbar. Fällt es einem Unternehmen schwer, den Ausstoß durch Filter oder andere Brennstoffe zu mindern, kann es sich Lizenzen beim Konkurrenten besorgen, dem das leichter fällt.

Der Gesamtausstoß an Schadstoffen kann so – zumindest in der Theorie – stärker gesenkt werden, als bei allgemeingültigen Grenzwerten, die sich politisch-pragmatisch zumeist an den Schwächsten orientieren. Erst die Möglichkeit, Lizenzen zu erkaufen, gibt ökologischen Vorreitern den Anreiz, mehr zu tun als vorgeschrieben.

In den USA sind bereits mehrere solche Handelssysteme erfolgreich erprobt worden. Am bekanntesten ist der Handel mit Schwefeldioxid-Lizenzen für Kraftwerke, der dort mit der Novelle des Luftreinhaltegesetzes 1990 eingeführt wurde. Knapp 2.800 Kraftwerke nehmen inzwischen daran teil, der erlaubte Gesamtausstoß an Schwefeldioxid wurde nur zweimal – ganz leicht – überschritten. Die Lizenz für den Ausstoß einer Tonne Schadstoff kostete 2001 zwischen 150 und 214 Dollar und wurde rege gehandelt.

Trotz seines Erfolges wird der Emissionshandel bei uns eher misstrauisch beäugt. Das hängt damit zusammen, dass er auf den internationalen Klimagipfeln stets von den Bremsern vorgebracht wurde – mit solch absurden Voraussetzungen, dass er einem gewaltigem Schlupfloch gleichkam. Inzwischen baut die EU-Kommission ein vernünftiges System für die hiesige Industrie auf. MATTHIAS URBACH

„Umwelt als Ware“ ist eine Serie zum Kongress McPlanet.com von BUND, Greenpeace und Attac am Wochenende in Berlin. Morgen: Armin Simon über den Börsenhandel mit Wetter