taz-serie: „ware umwelt“, teil 2 : Auch die Natur hat einen Wert. Der steigt beträchtlich, wenn man sie per Dekret unter Schutz stellt
Nationalparks – ein Markenartikel
„Die Serengeti darf nicht sterben“: Wer in den Sechzigern vor dem Fernseher saß, kennt diesen Satz von Bernhard Grzimek. Um die Serengeti zu erhalten, erfand er mit einem Trick die Pauschal-Naturreise. Er erklärte eines Abends, es gäbe jetzt Pauschalreisen nach Ostafrika. Was nicht stimmte. Als ihn tags drauf die Reiseveranstalter fragten, schwieg er beredt. Die nahmen solche Reisen daraufhin hektisch ins Programm.
Der Tourismus gilt heute als Schrittmacher der Globalisierung. Er avancierte zum weltweit führenden Wirtschaftszweig, schafft mehr als 200 Millionen Jobs und bringt jährlich rund 700 Millionen Dollar Einnahmen. Und schon vor Grzimeks Intervention florierten einige Nationalparks in Afrika, wie etwa der ugandische Murchison Falls Park, der damals jährlich 60.000 Besucher anlockte.
Doch im politisch oft instabilen Afrika kann der Naturschutz schnell unter Gewehrfeuer geraten – wie in den Siebzigern auch Murchison Falls, der inzwischen mit Hilfe der GTZ wieder für den Tourismus aufgebaut wird. Auch Umweltverbände wie der Naturschutzbund (Nabu) unterstützen inzwischen Tourismusprojekte, etwa im Naturpark Arabuko-Sokoko in Kenia: Dort leben inzwischen rund 4 Prozent der regionalen Bevölkerung vom Naturtourismus. Nur so gibt es Hoffnung, dass die Mehrzahl der Bürger dort bereit sind, Elefanten, die ihre Felder verwüsten, und marodierende Nilpferde zu ertragen. Ohne Tourismus kein Naturschutz.
Und ohne Nationalpark kein Lockmittel. Hierzulande würden sich deutsche Nationalparkleiter freuen, wenn ihre Parks nur halb so bekannt wären wie die Serengeti. Europarc Deutschland, der Dachverband der deutschen Schutzgebiete, würde die hiesigen Nationalparks gerne „zu Marken entwickeln“, wie Geschäftsführer Axel Tscherniak formuliert. Ist ein Nationalpark erst ein Begriff, lockt er viele Besucher, die sich zur Erholung ein zauberhaftes Umfeld wünschen.
Zuweilen stand in Deutschland der Tourismus sogar am Anfang eines Parks: Als vor 33 Jahren der Nationalpark „Bayerischer Wald“ entstand, ging es der Landesregierung vor allem darum, ein strukturschwaches Grenzgebiet am Eisernen Vorhang zu entwickeln. Auch das Projekt „Nationalpark Kellerwald“ in Nordhessen erfährt gerade neuen Schub, weil Kurorte unter Rezession und Gesundheitsreform leiden. In der Regel war es andersherum: Da entdecken Naturschützer einen wertvollen Flecken Erde, den es zu schützen lohnt. Und doch ließe sich heute kaum ein Schutzprojekt durchsetzen, wenn es keine Einnahmen verspräche. Ein Nationalpark ist „Schutz vor Tourismus und Anreiz zugleich“, so Jochen Lamp vom WWF-Ostseebüro.
Und so reichen sich Natur und Kommerz einmal die Hand. Ein seltenes Bild. Und nur ein kleiner Ausschnitt. Denn in erster Linie ist der Massentourismus noch immer ein Naturzerstörer.
MATTHIAS URBACH
„Umwelt als Ware“ ist eine Serie zum Kongress McPLanet.com von BUND Greenpeace und Attac am Wochenende in Berlin. Morgen: Handel mit Verschmutzungsrechten