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Archiv-Artikel

taz-serie „ins wasser gefallen“ (teil 4): floß fahren bei eberswalde Leises Gleiten auf dem Finowkanal

Ist der Sommer ins Wasser gefallen? Natürlich nicht. Es sei denn, die Rede ist vom Wassertourismus, der in Brandenburg mit seinen 3.000 Seen und 33.000 Kilometern Fließgewässer immer mehr Zulauf findet. Vom Paddeln bis zum Charterbootfahren – alles ist möglich, wie die taz-Serie zeigt

Das Wichtigste erklärt Antje Schippel, die Flößerfrau, lieber mal gleich am Anfang: die Toiletten. Einmal lang drücken, damit die Pumpe anspringt. Rechtzeitig loslassen, damit das ins Becken sprudelnde Wasser nicht überläuft. Nochmal drücken, damit die Pumpe absaugt.

Man kann sich vorstellen, dass sich in der engen Kabine, nach Bockwurst, Wernesgrüner Pils, Kaffee und Schlesischem Streuselkuchen schon dramatische Szenen abgespielt haben. „Und Achtung, meine Herren – der Häcksler im Klo packt alles über 20 Zentimeter“, sagt Schippel. Zwei Dutzend Fahrgäste, die meisten jenseits der 60, lachen und prosten sich zu. Eine Floßfahrt auf dem Finowkanal ist eine bodenständige Angelegenheit.

Antje Schippel wirft die Leinen an Deck und stemmt einen Fuß gegen die Kaimauer. Es geht los. Die Schippel-Schute ist kein Floß, eher ein Schiff mit massiven Holztischen und Bänken an Deck, fünf Meter breit, knapp 25 Meter lang. Langsam schiebt sie sich in den Kanal. So langsam, dass ein Spaziergänger am Ufer überholen könnte und es kaum Wellen im grünen Wasser gibt. Wer vorn sitzt, hört wenig vom Motor. Pappeln und Erlen wachsen in dem Naturschutzgebiet bei Finowfurt dicht an dicht, sie ziehen wie in Zeitlupe vorbei. Eine Floßfahrt, das merkt man nach wenigen Minuten, entspannt ungemein, das leise Gleiten hat etwas Meditatives.

In Richtung Westen geht es auf der ältesten noch schiffbaren künstlichen Wasserstraße Deutschlands. Antje Schippel unterbricht das sonnenselige Dämmern – mit einem historischen Vortrag über die Bordlautsprecher: Der Finowkanal ist über 400 Jahre alt, er verbindet Havel und Oder. Während heute vor allem Touristen in Sportbooten und Kanus durch die 17 Schleusen fahren, herrschte Anfang des 20. Jahrhunderts reger Verkehr. Im Jahr 1906 wurden 2,6 Millionen Tonnen Güter zu den Ziegeleien, Sägewerken und anderen Betrieben transportiert, die sich an dem Kanal angesiedelt hatten – mehr Frachtgut, als damals auf dem Rhein verschifft wurde.

Die Grafenbrücker Schleuse kommt in Sicht. In den nächsten Minuten leistet Martin Schippel Maßarbeit. Er fährt seit sieben Jahren mit seiner Frau auf dem Kanal – er machte das Binnenschifferpatent und steuert, sie schenkt aus und unterhält die Gäste. Der kräftige Mann mit Schnauzbart sitzt am Heck auf der Brücke, hält die Ruderpinne und zirkelt das Schiff durch das enge Tor. Oben auf der Mauer kurbelt der Schleusenwärter, die rostigen Stahltore schließen sich, dann schießt ein kleiner Wasserfall ins Becken. Die alte Technik lockt ein paar Männer zum Bug.

So geht es denn hoch bis ins ehemalige Schifferdorf Marienwerder und wieder zurück. Drei Stunden dauert die Fahrt. Der Eisvogel lässt sich nicht blicken, der Fischadler auch nicht, aber eine Entenfamilie folgt uns in Formation. Und als ein morscher Stamm bricht und vor dem Kahn ins Wasser platscht, ist dies das aufregendste Ereignis der Tour. Aber Aufregung ist auch das Letzte, worum es auf der Schippel-Schute geht. ULRICH SCHULTE

Die Floßfahrt kostet 15 Euro, Gruppen bekommen Rabatt. Unbedingt vorher anmelden! Tel.: 0 33 35-3 02 03. www.mst-touristikfloesserei.de. Anfahrt: Mit dem Zug dauert die Fahrt bis Eberswalde Hauptbahnhof eine gute halbe Stunde. Ab dort geht’s mit dem Shuttleservice der Firma Taxi-Krüger zum Anleger (3 Euro eine Fahrt)