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taz-lab Kolumne S(ch)ichtwechsel #14 Kellnern können die Wenigsten

Unsere Autorin fordert mehr Anerkennung für Menschen, die in der Gastronomie arbeiten.

Obwohl viele Corona Beschränkungen gefallen sind, leiden Gastronomien noch immer an den Folgen. Francois Mori AP

taz lab, 16.04.2022 | von LUISA FAUST

In unserer taz-lab-Kolumne S(ch)ichtwechsel schreiben unsere Autor:innen wöchentlich über Klima und Klasse.

Wenn ich mir etwas Gutes tun möchte, setze ich mich in mein liebstes kleines Café in Neukölln, bestelle einen Wein und lasse mir die Sonne ins Gesicht scheinen. Meist kommt dann die Besitzerin raus und raucht mit mir eine Zigarette.

Ich bin Stammgästin, und in letzter Zeit sprechen wir häufig über das gleiche Thema: Sie sucht Personal und findet keines, muss deswegen mehr als 80 Wochenstunden alles selber machen, Service, Küche, Bar.

Nach der Pandemie haben viele gastronomische Betriebe Schwierigkeiten, die Wiedereröffnung personell zu stemmen. In den Lockdowns haben sich viele Kell­ne­r:in­nen umorientiert, andere Anstellungen gesucht, besser bezahlt, weniger stressig. Und häufig festgestellt, dass ihr Leben besser ist, wenn sie nicht auf Trinkgeld angewiesen sind, ihre Entlohnung nicht davon abhängt, ob sie einen guten Tag haben und das Lächeln überzeugend über die Lippen kommt.

Eine Unternehmensberatung schreibt auf ihrer Website diesen Ratschlag an Gastronomen mit Personalmangel: „Auch eine Person, die im Service tätig ist, braucht Freizeit und Spaß. Manche Arbeit­geber gehen schon in die richtige Richtung und beginnen ihren Servicekräften zwei freie Tage zu gewähren“.

Ich habe jahrelange Erfahrungen in unterschiedlichen Servicejobs. Jetzt, koordinierend im taz-lab-Inhaltsteam, stelle ich fest, wie befreiend es ist, mir meinen Tag selbst einzuteilen, mich bei schlechter Laune hinter meinem Bildschirm zu verstecken.

Dass ich selbst nach langen Arbeitstagen Freunde treffen kann, Essen kochen und etwas unternehmen. Nach einer langen Serviceschicht bin ich körperlich erschöpft ins Bett gefallen.

Was ich mir deshalb wünsche: Respekt und Anerkennung für die Menschen, die Jobs übernehmen, die anstrengender sind, weniger gesellschaftlichen Einfluss bedeuten, schlechter bezahlt und krisenanfälliger sind als die meisten Bürojobs. Diese Jobs sind nicht weniger wichtig und vor allem nicht weniger anspruchsvoll. Und glaubt mir: Kellnern können wirklich die wenigsten.