taz beim motzstraßenfest: Linker Journalismus trifft schwulen Fetischbedarf
Weihnachtsmärkte, Volksfeste, Straßenfeste – mit ihrer immer gleichen Mixtur aus überteuerter Wegwerfware und noch teurerem Fastfood lösen sie meistens eher Befremden statt Freude aus. Von der lautstarken Beschallung mit fragwürdiger Musik ganz zu schweigen.
Seit 1993 kennt auch der traditionelle Homokiez in Berlin-Schöneberg das Format Straßenfest. Und trotz Krimskrams, Fastfood und mehr oder minder hörbarer Musik, ist dieses Fest so anders, dass selbst wir als taz dort präsent sein wollen.
Das „lesbisch-Schwule Stadtfest“, so sein interessant sperriger Name, entstand 1993 als Antwort auf wiederholte homophobe Übergriffe im Kiez rund um den Nollendorfplatz. In 30 Jahren hat es sich zu einem Pflichttermin nicht nur für queere Menschen entwickelt. Weit über 300.000 Besucher:innen ziehen inzwischen alljährlich durch die Berliner Straßen.
Schwuler Fetischbedarf und Sparkasse, lesbischer Selbsthilfeverein und Bundestagspartei, Verkehrsbetrieb und Bundeswehr, Krankenkasse und LGBTQI-Flüchtlingsprojekt – inzwischen gibt es nahezu nichts, was auf dem Stadtfest nicht vertreten ist und um die queeren Besucher:innen wirbt. Vielleicht lässt sich diese einzigartige Vielfalt an Angeboten und Anbietern als Gradmesser lesen für den Fortschritt, den wenigstens Berlin bei der Akzeptanz nicht-heterosexueller Bürger:innen und Kund:innen gemacht hat. Wer nicht da ist, fällt auf – negativ.
Auffallend abwesend sind nahezu sämtliche renommierten Medienmarken, lediglich ein privater Radiosender und das geschichtsträchtige queere Stadtmagzin Siegessäule zeigen Präsenz – und seit 2022 auch die taz. Dass wir erst seit dieser kurzen Zeit am Stadtfest teilnehmen, überrascht uns inzwischen selbst am meisten – schließlich war und ist die taz auch ein queeres Projekt. Selbst in den frühesten Ausgaben Ende der 1970er finden sich viele Artikel, die von den Kämpfen queerer Menschen berichten. Bis heute hat sich daran nichts geändert und wir thematisieren queere Bürger:innenrechte und Lebensrealitäten in nahezu all unseren Ressorts.
Wenn also ein Straßenfest das queere Leben feiert, feiern wir selbstverständlich mit und werben für unseren unabhängigen Journalismus. Schließlich ist es unsere Unabhängigkeit, die uns seit 1979 ermöglicht, eben auch jene Themen auf die Titelseite zu setzen, die für nicht-heterosexuelle Menschen zentral sind. (msc)
taz auf dem lebisch-schwulen Stadtfest Berlin: 20. & 21. Juli 2024, Eisenacher Straße 116, Schöneberg
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