piwik no script img

„taz“ auf der Leipziger Buchmesse 2012Ein flüchtiges Ding namens Heimat

Peter Steinbachs erster Roman „Heute für Geld und morgen umsonst“ eröffnet den Blick auf eine längst vergangene, aber nicht weggesteckte Zeit.

Spürbare Vergangenheit: Alte Baumwollspinnerei in Leipzig. Bild: bd0 / photocase

Peter Steinbach ist in der deutschen Filmwelt ein berühmter Mann – er hat die Drehbücher für Edgar Reitz' „Heimat“ verfasst, er hat auch die Vorlage zu Joseph Vilsmaiers Verfilmung von „Herbstmilch“ geschrieben, ebenso die zu „Klemperer. Ein Leben in Deutschland“. Für seine Arbeit erhielt dieser Autor, Jahrgang 1938, 1985 den Grimme-Preis für die Arbeit zu „Heimat“.

Eine gerechte Auszeichnung für einen, dessen Thema eben diese stets war und ist: Heimat. Der Ort, die Örtlichkeit, die Orthaftigkeit, aus der man stammt. Auf die man sich immer wieder bezieht, sich an sie erinnert, sich ihrer, so lässt sich das in Steinbachs Fall sagen, vergewissert.

1938 in Leipzig geboren, noch im Nationalsozialismus Kind gewesen, in der sogenannten Sowjetischen Besatzungszone aufgewachsen, seit 1953 mit seiner Familie in der Bundesrepublik – so einer kann fast ohne nähere Begründungen Heimat in den Mittelpunkt der eigenen Arbeiten rücken: Er weiß, wie prekär der Ort ist, der so genannt sein soll – eben dieses flüchtige Ding namens Heimat.

Sein Buch „Heute für Geld und morgen umsonst“ ist sein erster Roman – eine späte Leistung, die der Autor mit den Augen eines Kindes, eines Jungen erbracht hat. Diese Geschichte, besser: diese Geschichten spielen im Leipzig des zehnjährigen Osvald, der nur deshalb vor der Deportation bewahrt wird, weil sein Vater wichtiger Teil der Kriegsindustrie ist.

Ich mag dieses Buch, ich mag diesen fast verzweifelten Blick auf eine für den Autor natürlich längst vergangene, aber offenbar nicht weggesteckte Zeit ist. Steinbach ringt, allem munteren Erzählfluss zum Trotz, mit dem, was ihm Heimat war, ein, so Ernst Bloch, Ort, den es als Paradies nie gegeben hat, den man sich aber eben so vorstellen möchte – und doch nicht kann. Eine Kindheit in Leipzig – auch als Abenteuergehege, dessen Horror gewärtig wird: Wie sicher ist die Erde, auf der man geht?

Freitag, 16.3., 12 Uhr im taz-Studio (Halle 5 / E 410 a): Der Autor Peter Steinbach im Gespräch mit Jan Feddersen (taz).

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!