taz auf Raum-Patrouille

■ Leerstehende und verfallende Häuser, taz-serienmäßig besucht / Teil sieben

Das große Ladenfenster ist mit Preßpappe und diversen Plakatresten vollständig zugekleistert. „Radio Bremen präsentiert: M. Walking on the Water - The Pare meets the Hidden...“, gleich daneben ein Fetzen mit dem vielsagenden Titel: „Der Star des Orients - 8.Party“ und ein verwaschenes Stück Kinovorankündigung: „Tom Sharpe - Puppen Mord oder...“ Ansonsten jedoch

gähnende Leere Am Steintor 131. Sowohl der Laden als auch die Wohnungen im ersten und zweiten Stock sowie das ausgebaute Dachgeschoß des Hauses stehen leer. Durch das eingeschlagene Fenster, gleich über dem Geschäft, sieht man von der Straße aus stark demolierte weiße Kunststoffplatten an der Zimmerdecke. Zwei Neonröhren liegen schutzlos in der halbkaputten Schale ei

ner ehemaligen Deckenbe leuchtung. Gleich daneben haben sich riesige gelbe Feuchtigkeitsflecken ausgebreitet.

Die Goldschmiedin im Schmuckladen 'Karfunkel‘ hat mitbekommen, daß es in dem Keller unter dem Laden vor etwa einem Jahr eine Explosion gegeben hat. „Der Boden des Ladens hat sich gehoben und dann kam es zum Durchbruch. Der Schaden ist angeblich so groß, daß sich eine Sanierung nicht mehr lohnt. Soweit ich weiß, soll das Haus abgerissen und dann neu gebaut werden“. Der Bebauungsplan dafür sei bereits von der Eigentümerin eingereicht worden.

Bei der Fleischerei an der Ecke ist man auf die Eigentümerin nicht gut zu sprechen. Die Frau des Fleischermeisters macht ihrem Ärger Luft: „Also wir haben uns mal um dieses Haus bemüht, aber da kriegt man doch nichts raus, weil angeblich alles unter Datenschutz fällt“. Was sie wüßte sei nur, daß es seit einem Jahr etwa leer steht.

Der Friseur schräg gegenüber weiß genauer, was sich im Keller der Nummer 131 im letzten Jahr abgespielt hat. Früher habe ein türkischer Gemüsehändler den Laden geführt. „Der hat sich dann wohl irgendwann mit ein paar Bekannten einen Coup gegen die Versicherung ausgedacht. Zwei Männer sind nachts in das Haus und dann in den Keller eingedrungen, haben alles mit Benzin übergossen und angezündet. Und jetzt streiten sich die Versicherungen des Gemüsehändlers und der Eigentümerin, wer den Schaden letztendlich übernehmen muß. Also wir wären hier alle sehr froh, wenn dieser Schandfleck endlich von der Bildfläche verschwindet“.

Auch der Eigentümer des

Schuhgeschäftes weiß von den beiden Türken, die den Anschlag inszeniert haben sollen. „Einer der beiden wurde dabei sogar tötlich verletzt, so ist die ganze Geschichte ja erst rausgekommen. Bei der Explosion gab es eine Verpuffung der Gase.“ Die Sanierung des Gebäudes sei deshalb unmöglich, da sich Risse im Mauerwerk gebildet hätten. Verkaufen wolle die Eigentümerin, eine Frau Meier, aber auch nicht. „Wie man das Haus jedoch rausreißen will aus dem Häuserblock ist mir, ehrlich gesagt, schleierhaft“.

18 Jahre Leerstand

An der Gete 127

Wenn man nicht aufpaßt, geht man An der Gete 127 vorbei, ohne zu bemerken, daß hier Wohnraum verfällt. Das zweistöckige

blaßgrün gekachelte Wohnhaus, ebenfalls mit verrammeltem Laden und ausgebautem Dach, ist in erstaunlich gutem Zustand. Dennoch: Seit etwa 18 Jahren warten hier mindestens sechs Wohnungen vergeblich darauf, endlich fertiggstellt und dann vermietet zu werden. Die Wohnlage ist hervorragend, ruhig und grün. Nur selten sieht man Fahrzeuge, die meisten benutzen umliegende größere Straßen.

„Völlig unverständlich warum sich der Eigentümer nicht darum kümmert“, kommentiert eine ältere Dame aus Nummer 135 den Leerstand. „Hier hat ja noch nie jemand drin gewohnt. Das Haus steht schon von Anfang an leer, gleich nachdem es gebaut wurde. Es gibt wohl irgendwelche Probleme mit dem Bauamt“.

Herr Henning, der schräg ge

genüber wohnt, hat seine eigenen Erfahrungen mit dem Eigentümer Bädecker gemacht. „Der fühlt sich hier sowieso wie der Straßenkönig persönlich, weil ihm noch etliche andere Häuser in der Gegend gehören. Es scheint ihm auf ein Haus mehr oder weniger nicht anzukommen. Im Moment ist er ungenießbar, am besten man legt sich nicht mit ihm an“.

Wohnungssuchende erhalten von Bädecker folgende Auskunft: „Tja, das tut mir leid, die Wohnungen können aber vorläufig noch nicht vermietet werden. Denn da fehlen ja noch sämtliche sanitären Anlagen. Also eigentlich wollten wir das ja schon lange mal in Ordnung bringen, aber irgendwie ist immer wieder was dazwischen gekommen. Tut mir leid.“

Birgit Ziegenhagen