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taz-adventskalender „24 stunden“23 Uhr bei McFit

Kurz nach elf in einem Gewerbegebiet in Lichtenberg: Das Gebäude, in das ich gleich gehen werde, versprüht von außen den Charme einer stillgelegten Geflügelmastanlage. Eine riesige Betonhalle, umgeben von einer Brache. Der gelb-blaue Anstrich der Fassade ist längst verblasst, im Dunkeln lässt sich ein Schriftzug an der Wand gerade noch so entziffern: „Einfach gut aussehen“.

Im Innern des McFit wirkt es um einiges freundlicher. Das Fake-Parkett am Eingang und ein paar Plastikpflanzen versprühen wohlige Wärme. Das Fitnessstudio ist im Grunde nur eine riesige Halle, vollgestellt mit Trainingsgeräten. Im Discounter der Fitnesswelt gibt es keine Aerobic-Kurse, kein Yoga, keine Sauna – nur Pumpen.

Doch um diese Uhrzeit stehen die meisten Geräte unbenutzt herum. Eine fast schon meditative Ruhe zieht sich durch das Studio, nur unterbrochen von gelegentlichem Stöhnen und dem Klackern der Gewichte. Ganz in sich versunken flext ein junger Typ seinen Bizeps und betrachtet ihn in verschiedenen Posen vor der Spiegelwand.

Ich bin verabredet mit meinem Freund A., er ist Krankenpfleger und geht nach der Spätschicht häufiger um diese Zeit trainieren. Er verspätet sich, viel Stress auf der Station. Doch der Trainingsplan duldet keine Ausnahmen. „Beintraining ist das Letzte, was ich jetzt brauche“, sagt A. – was er meint, merke ich gleich an der Smith-Maschine, also Kniebeugen mit Gewicht. Ab der dritten Wiederholung brennen meine Oberschenkel, und ich frage mich, warum man Freitagnacht freiwillig Gewichte hin und her bewegt, anstatt gemütlich in der Kneipe zu sitzen.

Auf Spurensuche zwischen den Sets: Zwei junge Männer unterhalten sich auf Arabisch, einer joggt gemächlich auf einem Laufband. Ich spreche sie an. „Wenn du willst, kannst du hier tanzen“, sagt einer der beiden, der sich als Ahmad vorstellt. Auch sie kommen gerade von der Arbeit, einem Lieferdienst. Aber auch sonst gehen sie gerne um diese Uhrzeit trainieren, sagt Ahmad. Früher am Abend sei es viel zu voll, trotz der beeindruckenden Zahl an Geräten müsse man lange warten, bis man eines benutzen könne.

Tatsächlich liegt fast ein Hauch von Gesetzlosigkeit in der Luft. Angestellte sind weit und breit keine zu sehen, selbst der Tresen an der Anmeldung ist leer. Ein Jugendlicher trainiert oberkörperfrei an einer Brustmuskelmaschine. Überall liegen Hanteln und Gewichte auf dem Boden, die nicht eingeräumt wurden.

Ich frage Ahmad, was ihn motiviert. „Es macht Spaß“, antwortet er kurz. Außerdem sei es ein guter Ausgleich zum ständigen Sitzen auf dem Fahrrad. „Und man sieht gut aus“, ergänzt sein Kumpel auf dem Laufband.

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Stressig und chillig, hässlich und schön, herzerwärmend und abstoßend: Berlin hat viele Seiten, rund um die Uhr. In diesem Advent hangeln wir uns durch 24 Stunden Hauptstadtleben und verstecken jeden Tag aufs Neue 60 Minuten Berlin hinter unserem taz-berlin-Kalendertürchen. Heute: ab 23 Uhr im Fitnessstudio.

Das Aussehen sei zwar ein netter Nebeneffekt, aber ihm im Grunde egal, behauptet hingegen A., auch die gesteigerte Muskelkraft sei in seinem Alltag wenig funktional. Der Fortschritt sei ihm wichtig: „Mich motiviert, dass ich nächste Woche mehr Gewichte heben kann als heute“.

Ich liege bäuchlings auf einer weiteren Maschine, deren Name ich nicht kenne, und stemme ein Gewicht mit meinen Fersen in Richtung Po. Diesmal brennen die Beine an einer anderer Stelle. Im Fitti ist die Welt einfach: hoch, runter, zehn Wiederholungen, drei Sätze. Mehr Nachdenken ist nicht nötig. Entspannung stellt sich ein, und ich beginne zu verstehen. Jonas Wahmkow

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