taz-Serie Soziale Stadt: Genossenschaften: Wo dein Platz, Genosse, ist
Die Genossenschaft Bremer Höhe bietet in Prenzlauer Berg seit 10 Jahren günstige Mieten. Sind Genossenschaften ein Mittel gegen Spekulation und Aufwertung?
Filz bei SPD und Howoge, kräftige Zuschläge bei Neuvermietung, Kündigungen im ehemaligen sozialen Wohnungsbau. Auf dem Berliner Wohnungsmarkt geht es drunter und drüber. Wie gut, dass Ulf Heitmann da eine gute Nachricht vermelden kann. Wie ein Fels in der Brandung steht der Mann mit dem Wuschelkopf im Begegnungsraum der Bremer Höhe und freut sich: "Als Genossenschaft haben wir ein Mietniveau, das unter dem des Mietspiegels liegt."
Genossenschaft, das klang lange nach verstaubter Arbeiterromantik, leeren Konsumregalen und DDR-Schick. Nicht unbedingt attraktiv für den hippen, aber auch prekären Prenzlauer Berg. Doch Heitmann und die Mitarbeiter der Bremer Höhe haben den Genossenschaftsgedanken vor zehn Jahren entschlackt und neu erfunden. Wenn auch nicht ganz freiwillig. 1999 stand das Gebäudeensemble aus der Gründerzeit zwischen Schönhauser Allee und Greifenhagener Straße zum Verkauf. Die Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg (WIP), die die 21 Häuser mit ihren 521 Wohnungen nach der Wende übernommen hatte, wollte mit der Privatisierung Schulden loswerden.
Das Schlagwort "Gentrifizierung" ist in aller Munde. Jahre nach Abschaffung des sozialen Wohnungsbaus wird wieder über Wohnungspolitik und eine soziale Stadtentwicklung diskutiert. Die taz widmet dem Thema eine Serie. Wie funktioniert die Gentrifizierung? Und wie kann soziale Wohnungspolitik sinnvoll eingreifen?
Bereits erschienen sind eine Bilanz der rot-roten Mietenpolitik (19. 12.), ein Text über Baugemeinschaften (23. 12.), eine Reportage über den Hackeschen Markt, wo die Verdrängung von Mietern und kleinen Geschäften besonders deutlich ist (30. 12.), eine Analyse der Auswirkungen der Hausbesetzungen in Ostberlin kurz nach dem Mauerfall (31. 12.) das Interview mit einem Hausverwalter aus Nordneukölln (5. 1.), ein Plädoyer für Mietobergrenzen (15. 1.), ein Bericht über Möglicheiten und Grenzen von Quartiersmanagement und Schulpoltik im Wedding (22. 1.), eine Betrachtung von edlen Wohnprojekten für die Mittelklasse (27. 1.), das Portrait des langjährigen Chefs des Berliner Mietervereins Hartmann Vetter (5.2.) ein Gespräch mit Jörg Franzen, dem Chef der Gesobau, einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft (23. 2.), ein Interview mit der Sprecherin der Gruppe Soziale Kämpfe (2.3.), sowie ein Text über die Task Force Okerstraße (9.3.).
Das war der Moment für den inzwischen verstorbenen Stadtteilaktivisten und PDS-Abgeordneten Bernd Holtfreter und Mieterberater Heitmann. Zwar war der Vertrag mit einem Hamburger Investor bereits unterzeichnet, eine Klausel aber ermöglichte die Rückabwicklung - wenn die Mieter selbst kaufen wollen.
Holtfreter und Heitmann organisierten den Widerstand und bastelten an einer Alternativlösung: "Geholfen hat uns dabei, dass Genossenschaften seit 1999 auch mit Mitteln aus den Programmen zur Stadterneuerung gefördert werden können", erinnert sich Heitmann.
Weil auch der Senat nicht an Unruhe in Prenzlauer Berg interessiert war, kam es zur Gründung der Genossenschaft Bremer Höhe e. G., die am 20.April 2000 in einer Anwaltskanzlei am Kudamm notariell beglaubigt wurde. Der Kaufpreis an die WIP betrug 17,2 Millionen Euro, die Sanierung sollte noch einmal 24 Millionen Euro kosten.
Wenn es ums Geld geht, kann sich Ulf Heitmann noch heute echauffieren. "Ja", sagt er, "wir haben öffentliche Mittel bekommen." Es sei aber ein böses Gerücht, dass wegen der Bremer Höhe im Topf der öffentlichen Altbausanierung kein müder Cent übrig gewesen sei. "Wir haben gerade einmal 8,6 Millionen Euro an öffentlichen Mitteln bekommen", sagt Heitmann. "Dass das Programm soziale Stadt kurze Zeit später eingestellt wurde, lag nicht an uns. Es war eine politische Entscheidung."
Zehn Jahre später sind die Erinnerungen an die Mühen des Beginns verblasst, es überwiegt die Freude über das Erreichte. "Wer bei uns wohnt, wohnt so sicher wie in der eigenen Wohnung", sagt Genossenschaftsvorstand Barbara König. Zwar gebe es in der Bremer Höhe kein Einzeleigentum, aber auch keine Spekulation. "Bei uns bestimmt jeder mit, in welche Richtung wir gehen", sagt König. Der größte Vorteil: Die Genossenschaft muss keinen Gewinn machen, entsprechend niedrig sind die Mieten. "Selbst bei Neuvermietungen bleiben wir unter dem Mietspiegel", freut sich König. Einziger Wermutstropfen: Wer eine der begehrten Wohnungen will, muss erst mal 5.000 Euro Mitgliedsbeitrag berappen. Und die Warteschlange ist lang, vor allem für Familien mit Kindern.
Sind die Genossenschaften also die besseren Eigentümer und Vermieter? König ist nur bedingt optimistisch. "Nicht nur die Förderung ist weggefallen, auch die zinsverbilligten Kredite vom Land gibt es 2002 nicht mehr", sagt sie. Auch mit der Abschaffung der Eigenheimzulage haben die Genossenschaften zu kämpfen. Die Zeiten, in denen es für den Kauf der Bremer Höhe noch Kredite von der landeseigenen Investitionsbank Berlin gab, sind vorbei. Wie jeder andere Eigentümer müssen sich auch Genossenschaften ihr Geld vom Kapitalmarkt holen.
Hinzu kommt die Finanzkrise. Von der weiß Peter Weber ein Lied zu singen. Er ist Geschäftsführer der Genossenschaft "Selbstbau", die nach der Wende mit zwei Häusern in der Rykestraße gestartet war. Weil alles gut klappte, kamen weitere Häuser dazu. Finanziert wurden die Käufe von der Landesbank Schleswig-Holstein. "Wir haben Kredite in Höhe von über zehn Millionen Euro aufgenommen, womit wir neun Objekte kaufen und sanieren konnten", sagt Weber.
Das Problem: Die Landesbank gibt es nicht mehr. Sie fusionierte im Zuge der Finanzkrise zunächst mit der Hamburgischen Landesbank, später wurde daraus die HSH Nordbank. Die aber wollte plötzlich deutlich mehr Zinsen, erinnert sich Weber. "Begründet wurde dies mit dem schlechten Rating unserer Genossenschaft, da wir so niedrige Mieten haben." Mit anderen Worten: Wer die Preise nach oben treibt und mit Wohnraum spekuliert, bekommt Geld. Wer mieterfreundlich handelt, muss draufzahlen. Selbst ein persönliches Gespräch half da nicht mehr weiter. Seit die HSH Nordbank Kreditgeber ist, entscheiden nicht mehr individuelle Ansprechpartner, sondern die Computer. Die nötige Kreditverlängerung hat Weber schließlich bei einer Privatbank bekommen.
Auch die Bremer Höhe ist inzwischen gewachsen. Zum Ensemble in Prenzlauer Berg kamen die Liebigstraße 15 in Friedrichshain, die Katzlerstraße 13 in Schöneberg sowie eine Wohnanlage an der Ruschestraße in Lichtenberg. Die Genossenschaft hat sogar ein ganzes Dorf übernommen, freut sich Vorstandsmitglied Barbara König: "Anfang des Jahres haben wir von der Gesobau das Gut Hobrechtsfelde erworben." Damit zählt die Bremer Höhe insgesamt 1.130 Bewohner.
Ohne politische Weichenstellungen aber sind dem weiteren Wachstum der Genossenschaften enge Grenzen gesetzt, meint Klaus Mindrup, SPD-Bezirksverordneter in Pankow und selbst Mitglied der Bremer Höhe. "Anders als die Baugruppen bringen die Gründer einer Genossenschaft kaum Eigenkapital mit", sagt er. Vor allem bei der Anschubfinanzierung müssten die Genossenschaften deshalb unterstützt werden, etwa durch die Vergabe von Grundstücken in Erbpacht durch den Liegenschaftsfonds, der landeseigene Areale vermarktet.
Eines aber stellt Mindrup klar: "Neubau ist für Genossenschaften zu teuer. Wir sind darauf angewiesen, bereits bestehende Grundstücke zu übernehmen und zu sanieren." Immerhin: In seinem Portfolio für Baugruppen hat der Liegenschaftsfonds erstmals ein Bestandsgebäude. Zurzeit befindet sich darin noch der Dienstsitz von Ephraim Gothe (SPD), dem Baustadtrat des Bezirks Mitte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!