taz-Serie Hamstertouren mit dem Rad (3): "Schneller mit der Hand melken"
Berliner suchen Natur - Brandenburg lockt mit Landschaft und Leckereien. Die taz führt zu den besten Plätzen. Teil 3: Der Stutenmilchhof in Rohrlack
Obwohl das Ruppiner Land menschenarm ist, wirkt das kleine Dorf Rohrlack lebendig und gepflegt. Selbst das Kopfsteinpflaster zum Gestüt Lindenhof ist angenehm rund und holpert kaum. Siegfried Dörge öffnet die Stalltür, und vier Stuten mit ihren Fohlen traben auf die Weide. Dass er die letzten Nächte kaum geschlafen hat, sieht man ihm nicht an.
"Kommen Sie mal rein, da sind die Zwillinge, die sind gestern erst geboren. Zwillinge sind bei Pferden sehr selten und eigentlich nicht erwünscht, weil sie zu klein und schwach sind. Gestern Abend nach dem Fernsehfilm, so um halb elf, schaue ich noch mal in den Stall, und da ging es schon los. Ich habe reingefasst und gemerkt, dass da zwei Köpfe sind.
Die Fohlen lagen hintereinander, im Ultraschall haben wir deshalb nicht erkannt, dass es Zwillinge sind. Wäre ich nicht sofort da gewesen, wären beide tot. In diesem Jahr kommen alle auf einmal. Die letzten vier Nächte habe ich fast durchgemacht, ich komme gar nicht mehr zur Ruhe. Wir haben jetzt neun Fohlen und erwarten noch drei. So zwei bis drei Wochen nachdem die Fohlen gekommen sind, fange ich langsam an zu melken. Eine gute Stute produziert 20 Liter am Tag. Aber man kann nie mehr als einen Liter auf einmal melken. Mehr kann ein Stuteneuter nicht speichern. Eine Kuh ist ja auf Speichern gezüchtet. Aber bei einem Pferd will man so ein großes Euter nicht, das will man ja reiten.
Allgemein: Der erste Teil führt auf einem Plattenweg durch das untere Rhinluch, ein trockengelegtes Moor, das beweidet wird. Ab Vichel bis Stöffin muss man 13 km Landstraße ohne Radweg fahren. Die Straßen sind wenig befahren aber teilweise baumlos mit öden Abschnitten. Ab Stöffin bis Neuruppin weitestgehend autofrei, schöne Badestelle am Ruppiner See, wunderschöne Altstadt Neuruppin mit mehreren Restaurants.
Unterwegs gibt es nur eine Einkehrmöglichkeit, das Landhaus Wittemans in Stöffin. (Dorfstrasse 23a, Stöffin, Tel: 033932-71168, www.landhaus-wittemans.de)
Tagestour von ca. 40 km Länge. Relaxter ist die Strecke als Zweitagestour mit Übernachtung in Vichel (Haus Lebenswert, Claudia und Peter Masloch, Tel: 033928-90710).
En Detail: Vom uncharmanten Bahnhofsvorplatz Friessack fahren wir ein paar Meter zur Hauptstraße, biegen auf diese links ab und radeln 3 km zusammen mit schnell fahrenden Autos Richtung Zootzen. Im Ort nach dem Gemeindehaus rechts ab Richtung Friesacker Zootzen. Nach einer Brücke steht rechts ein pittoreskes Buswartehäuschen aus der DDR. Links weist ein Holzschild auf einen Plattenweg Richtung „Einsame Eiche“. Das ist unser Weg, der am Rhinkanal entlang durch das Rhinluch führt.
Wer sich die 3 km an der Hauptstraße nach Zootzen sparen möchte und einen Umweg von ca. 5 km nicht scheut kann Richtung Fliederhorst abbiegen. Eine wahrscheinlich deutlich angenehmere Strecke führt dann über Kressener Zootzen nach Friesacker Zootzen zu oben benanntem DDR Bushäuschen an der Brücke (diesmal dann auf der linken Seite und der Wegweiser zur „Einsamen Eiche“ rechts).
Der Plattenweg geht parallel zum Rhinkanal. An der Strecke hat der Revierförster eine Galerie der Bäume des Jahres seit 1989 gepflanzt. Nach Weile führt der Weg über eine geländerlose Holzbohlenbrücke über den Kanal. Dahinter sieht man schon den angekündigten Rastplatz „Einsame Eiche“. Von dort dem Weg weiter folgen bis zum Flüsschen Tremnitz. An der Kreuzung rechts abbiegen. Die Strecke überquert später die Tremnitz und endet an der Landstraße nach Vichel, auf die man rechts abbiegen muß.
Von hier sind es über Vichel ca 3 km bis zum Gestüt Lindenhof in Rohrlack (hinter der Dorfkirche links, ausgeschildert)
Im Ort gibt es auch die Demeter Bäckerei Vollkern, die Samstags aber leider schon um 11.00 schließt.
Nach der Gestütsbesichtigung muss man die Straße nach Vichel bis zum Abzweig Garz zurückradeln. Über Garz, Manker nach Protzen (Dorfmuseum). In Protzen links ab nach Stöffin. Hier gibt es Essen und Trinken im Landhaus Wittemans (Dorfstrasse 23a, Tel: 033932-71168, www.landhaus-wittemans.de) Die Wirtin kocht, räuchert und backt im Sommer in der offenen Tenne. Dazu verkauft sie eine unglaubliche Vielfalt an Mameladen, Chutneys, Senf oder Likören in ihrem Hofladen. Öffnungszeiten sicherheitshalber vorher erfragen!
Ab Stöffin ist man die Autos weitgehend los. Auf einer verwaisten Dorfstraße geht es unter der Autobahn durch in Richtung Neuruppin und Buskow. Wir überqueren die Hauptsraße nach Neuruppin, fahren geradeaus weiter nach Buskow. An der Dorfkirch links und dann immer geradeaus bis an den Ruppiner See. Wer die Böschung runter geht, kommt an einen schönen Badeplatz mit einem Holzsteg.
Von der Badestelle aus führt ein Fahrradweg nach Neuruppin, angeblich durchgehend. Wir haben irgendwo den Abzweig nach rechts verpasst und landeten an der Hauptsraße. Durch das Neubaugebiet Sonneneck am See gelangt man in die wirklich sehr schön renovierte Altstadt. Mehrere Restaurants am See oder in der Stadt.
In Neuruppin gibt es zwei Bahnhöfe. Neuruppin West und Neuruppin Rheinsberger Tor. An beiden hält der Regionalexpress bis Henningsdorf. Von dort in die S 25 umsteigen nach Berlin umsteigen.
Zweitagestour: Peter und Claudia Masloch bieten in Vichel in ihrem schön renovierten märkischen Mittelflurhaus günstige Fremdenzimmer an. Tel: 033928-90710, www.lebenswert-wein-und-mehr.de. Man erfährt von Familie Masloch alles über die Gegend. Peter Masloch ist auch im Besitz des Schlüssels zur Dorfkirche. In Vichel gibt es auch die Gärtnerei Keimzelle, die sich auf Biosaatgut spezialisiert hat. Besichtigung des Schaugartens nach Absprache (Keimzelle, Eve Bubenik, Dorfstraße 20, 16845 Vichel, Tel.: 01520-4542040).
Bevor ich melke, muss ich das Fohlen für ungefähr eine Stunde von der Stute trennen. Sonst ist keine Milch da. Das Fohlen trinkt ja permanent, so 30- bis 40-mal am Tag. Nur die Milch, die die Stute in der Zeit der Trennung produziert, die kann ich nehmen. Dazu habe ich einen Becher, den ich direkt unter die Zitze halte. Ein Pferd hat wie eine Kuh vier Euterteile. Aber nur zwei Zitzen. Aus jeder Zitze kommen zwei Strahlen, die gehen in verschiedene Richtungen. Deshalb kann ich nicht einfach einen Eimer zwischen meine Beine stellen, da würde alles danebengehen. Es gibt in Deutschland etwa 30 Stutenmilchbetriebe, aber ich bin der Einzige, der mit der Hand melkt. Das geht schneller, eine bis eineinhalb Minuten brauche ich pro Pferd.
Ich habe ja mal Melker gelernt in der DDR. Später war ich Abteilungsleiter für Milchproduktion in der LPG Wildberg im Nachbarort. Da war ich für 300 Kühe zuständig. Nach der Wende wollte ich aber noch mal einen Diplomabschluss machen. Man wusste ja nicht, wie es weitergeht. In Meißen gab es ein Aufbaustudium zum Diplom-Agraringenieur. Dort las ich eine Sonderausgabe der Zeitschrift TopAgrar zum Thema Nischenprodukte. Ziegen, Wachteleier und eben Stutenmilch. Das hat mich interessiert. Ich musste mir ja sowieso überlegen, was ich nach dem Studium mache. Meine Diplomarbeit habe ich dann über den Aufbau eines Stutenmilchbetriebes geschrieben. So gesehen ist dieser Hof hier meine Diplomarbeit.
Insgesamt habe ich 15 eigene Stuten. Wenn das Fohlen noch klein ist, melke ich nur einmal am Tag. Wenn es später mehr frisst, kann ich zwei- bis dreimal Milch nehmen. Im Mai ist die Milchleistung am höchsten. Am Vormittag bin ich eigentlich pausenlos mit Melken beschäftigt. Die Milch wird eingefroren. Die verschicke ich dann mit minus 30 Grad in Styroporbehältern. Dann ist sie noch gefroren, wenn sie beim Kunden ankommt.
Die meisten Menschen, die Stutenmilch kaufen, leiden unter Neurodermitis. Da habe ich Kunden aus ganz Deutschland. Es gibt auch Babys mit Kuhmilchallergie - von allen Milchen ist Stutenmilch der Muttermilch ja am ähnlichsten. Dann gibt es die Kosmetikschiene. Mein Sohn hat angefangen, unsere Milch von einem Berliner Pharmaunternehmen zu Cremes und Lotions verarbeiten zu lassen. Das verkaufen wir in unserem Hofladen oder über das Internet.
Auch Wellnesshotels verwenden Stutenmilch für ihre Kleopatrabäder. Einen Viertelliter ins Badewasser, und Sie haben danach ganz weiche Haut. Fassen Sie mal meine Hände an, weich und zart. Dabei arbeite ich hier im Stall viel mit der Forke. Das kommt nur vom Melken."
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