taz-Adventskalender (6): Katzenklappe : Teures Türchen für Sidneys Freiheit
Stehen Sie auf fade Schokotäfelchen? Wir auch nicht. Die Türen des taz-Adventskalenders verbergen anderes: geheime Schätze und wilde Tiere. Sex and Crime. Letzte Dinge. Bis Weihnachten öffnen wir täglich eine Tür – auf einem Kalender namens Berlin.
Sidney ist eine typische Katze: äußerst agil, aber auch ziemlich verschmust – wenn sie will. Zurzeit aber ist es in ihrem 63 Quadratmeter großen Heim, das sie seit vier Jahren bewohnt, ziemlich ungemütlich, denn ihr Herrchen rüstet zum Auszug. Der Kündigungsgrund ist sie – zumindest mittelbar.
Denn Katzenherrchen Mario G. hat in seine Wohnungstür vor zwei Jahren eine Katzenklappe eingebaut, damit Sidney auch in seiner Abwesenheit so frei schalten und walten kann, wie sie will. Diese 13 mal 16 Zentimeter große Plastikkonstruktion störte aber den Hausverwalter, und er mahnte Mario G. ab – mit der Aufforderung, die Katzenklappe wieder zu entfernen. Der 42-Jährige, selbst als Hausverwalter tätig, dachte aber gar nicht daran. Schließlich ist das Halten einer Katze kein Verstoß gegen den Mietvertrag, und eine Hausverwaltung muss das Halten von Hunden, Katzen oder Vögeln prinzipiell zulassen. So sah es zumindest der Bundesgerichtshof in einem Präzedenzfall.
Der Einbau einer Katzenklappe, so die Meinung des nun Beklagten Mario G., sei nur ein Beitrag zur artgerechten Haltung seiner Katze. So sah es auch das Amtsgericht Schöneberg und gab dem Mieter in erster Instanz Recht, als Vermieter Ralf F. vor Gericht zog, um den Katzenhalter rechtskräftig seines Hauses zu verweisen. Die Begründung war eindeutig: „Die Herstellung einer Katzenklappe … reicht zu einer Kündigung nicht aus.“
Mario G. war hoch zufrieden, sah er doch auch ansonsten keinen Anlass, seine Zweizimmerwohnung in Schöneberg zu verlassen, in die er vor 23 Jahren eingezogen war und damals komplett selbst renoviert hatte. „Ich fühlte mich in meiner Rechtsauffassung bestätigt“, sagt er.
Dabei hatte er die Rechnung aber ohne seinen klagefreudigen Vermieter gemacht, der beim Landgericht Berlin in Revision ging und dort Recht bekam. Denn die Katzenklappe in der Wohnungstür führe zu „einer optischen Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds der Außenseite der Wohnungseingangstür sowie des Treppenhauses, die vom Vermieter nicht hinzunehmen ist und die auch abstrakt geeignet ist, die Vermietung anderer Wohnungen im Haus negativ zu beeinflussen“, heißt es in der Urteilsbegründung. Also Auszug wegen einer Katzenklappe.
„Wenn das schon ein Kündigungsgrund ist, wo hört denn das auf?“, regt sich Mario G. inmitten seiner Umzugskartons über die Richter auf, zumal damit ein Präzedenzfall geschaffen wurde, der Katzenbesitzer in ganz Deutschland treffen kann. Die einzige Möglichkeit wäre nun ein Gang vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Einen Gang, den Mario G. nicht gehen wird, denn schon jetzt belaufen sich die Gerichtskosten auf rund 5.000 Euro, bei einem Materialwert der Katzenklappe von 40 Euro. Bei seiner nächsten Wohnung will Mario G. auf jeden Fall ins Parterre ziehen, damit seine geliebte Sidney einfacher rein- und rauskann – ohne Katzenklappe in der Wohnungstür.
Morgen: Krematoriumsluke