tarifstreit : Heimlichtuerei
Verhandlungen fortgesetzt
Wer Geheimnisse hat, will etwas verbergen, heißt es. Was wollen der Senat und die Gewerkschaften verstecken, die sich heute an einem geheimen Ort zur nächsten Tarifverhandlungsrunde für den öffentlichen Dienst treffen? Wollen sie einfach nur einmal eine Runde ungestört pokern, oder stehen sie gar kurz vor einer Einigung für die rund 100.000 Arbeiter und Angestellten, die erst verkündet wird, wenn sie unterschriftsreif ist?
Nun, die Frage wird sich erst im Laufe des heutigen Tages klären, aber eines zeichnet sich schon ab: Vor Beginn der Verhandlungen haben sich die Fronten noch einmal verhärtet, ein Kompromiss dürfte einige Zeit brauchen. Zwar haben sich beide Seiten schon grundsätzlich auf die Linie „weniger Geld für weniger Arbeit“ geeinigt; Probleme gibt es aber bei der Umsetzung. Gestern gingen noch einmal mehrere hundert Beschäftigte auf die Straße, um gegen mögliche Lohneinbußen zu demonstrieren. Die Protestform, die sich ganz besonders originell den regionalen Besonderheiten stellte: eine wiederaufgebaute Mauer, die die „Blockadehaltung der Arbeitgeber symbolisch greifbar“ machen sollte, wie es hieß.
Die Gewerkschaften machen sich vor allem für die Ost-West-Angleichung stark; auch die volle Anpassung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes steht auf dem Wunschzettel. Der rot-rote Senat lehnt das vehement ab – er sieht sich seit dem vergangenen Freitag auch vom Bundesrat bestätigt. Die Länderkammer hatte eine Gesetzesinitiative beschlossen, die den Bundesländern ermöglicht, das Weihnachts- und Urlaubsgeld für Beamte selber festzulegen – also auch zu streichen. Das Gehalt der Beamten ist zwar nicht Gegenstand der Tarifverhandlungen, dürfte aber dennoch eine Rolle spielen. Schließlich betonen beide Seiten, nicht die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auseinander dividieren zu wollen.
Innensenator Eckart Körting (SPD) machte gestern dennoch Druck auf die Gewerkschaften. Komme es zu keiner Tarifeinigung, sei der Senat gezwungen, „mehrere tausend Leute zu entlassen“. Die Forderungen der Gewerkschaften sind für Körting dagegen eine „Illusion“.
Das sieht Ver.di-Sprecher Andreas Splanemann natürlich anders: „Jede Form von Personalabbau schadet Berlin und beschleunigt den Abwärtstrend der Stadt.“ Die Gewerkschaften wollten bei den Tarifverhandlungen aber nicht nur Arbeitsplätze sichern, sondern auch erreichen, dass junge Leute eingestellt werden. Die große Frage ist nur: Zu welchen Kompromissen sind sie bereit, dieses Ziel zu erreichen.
Innensenator Körting glaubt jedenfalls, die Stimmung seiner Untergebenen zu kennen. Im öffentlichen Dienst gebe es „eine große Bereitschaft, Opfer zu bringen, wenn damit Jobs gerettet werden“. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass fast jeder fünfte Berliner offiziell arbeitslos gemeldet ist. Ein Argument, mit dem der Senat noch so manche Sparmaßnahme beim Personal durchsetzen wird. Auch das ist kein Geheimnis.
RICHARD ROTHER