tamtürktür . . . karl may:
von BJÖRN BLASCHKE
Es war klar, dass sein Name eines Tages an dieser Stelle fallen würde. Die Frage lautete lediglich: in welchem Zusammenhang? Sollte der Mann hinter dem Namen auftauchen als Verfasser vortrefflicher Landschaftsbeschreibungen? Sollten seine literarisch-rassistischen Abenteuer analysiert werden, die auch Adolf Hitler ganz gern las? Oder seine Helden, die ach so christlich-überheblich sind und trotzdem – oder gerade deshalb – dafür gesorgt haben, dass in Deutschland die Orientalistik noch nicht ausgestorben ist? Oder sollten Parallelen gesucht werden zwischen ihm und Gerhard Konzelmann, Peter Scholl-Latour oder Bassam Tibi?
Ja, irgendwann würde sein Name fallen, und – kawautzdipautz – da fällt er: Karl May. Und der Zusammenhang? Keine Promotion mit einem abseitigen Titel. Vielmehr soll Karl Mays Wirken als Kulinarist gewürdigt werden, wenngleich dieser „Würdigung“ am Ende vielleicht das „di“ in der Mitte abgeht, weil alles von Anfang an hinausläuft auf eine „Würgung“.
Ein Würgen jedenfalls mag den überkommen, der Karl Mays umfangreiches Werk nach Passagen durchstöbert, in denen sich der Autor dem Thema „Ernährung“ widmet. Immer wieder wird einem dabei klar, dass Karl May als Kind sehr wahrscheinlich Opfer eines grausamen Unfalls wurde, in dessen Verlauf er sich die Zunge abgebissen haben muss. Ein Wiederannähen erschien den Medizinern damals offenbar unmöglich, weshalb sie ihm wohl ein prähistorisches Transplantat verpassten – irgendetwas zwischen alter Schuhsohle und Lederlappen. Sowohl in seinen Winnetou-Büchern als auch in seinen sechs Erzählbänden, die zu einem großen Teil im Osmanischen Reich, dem Rechtsvorgänger der heutigen Türkei, spielen, weshalb der Name Karl May in „Tamtürk“ überhaupt fallen muss . . .; kurz: in seinem gesamten Oeuvre präsentiert sich Karl May als leckerer Mumpfback à la Sauce Redundante-Degoutante.
Die Bärentatze beispielsweise, deren Zubereitung bereits in „Winnetou I“ beschrieben wird („Am feinsten schmecken sie, wenn sie schon von Würmern durchbohrt sind“), taucht auch in „Durch das wilde Kurdistan“ auf. Dort allerdings stelle – so Karl May – der Fuß des Meisters Petz eher einen Zwischengang dar: „Zu den gedämpften Bärentatzen gab es ein dickes Mus von gedörrten Birnen und Pflaumen, dem ein gepanzertes Gericht folgt, nämlich gesottene Krebse, zu denen eine Zuspeise gereicht wurde . . .“ Und woraus kocht die Kurdenköchin sie? „Nimm Kürbisse und koche sie zu Brei . . . Tue Zucker und Brot dazu, rühre klaren Käse und geschnittenen Knoblauch hinein und füge zerdrückte Maulbeeren und weich gequollene Kerne von Sonnenblumen hinzu.“
Wer dem Erzähler, Kara Ben Nemsi, glaubt, wenn der behauptet, dass „der Geschmack derselben nicht so schlimm war wie der Klang der Ingredienzen“, der möge seine Zunge überprüfen und fortan diese Kolumne überblättern. Allen anderen sei versichert: Nächstes Mal heißt es in Tamtürk „Der Sud – wahre türkische Gerichte jenseits der May-Linie“. . .
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