tamtürktür . . . karl may, die zweite von BJÖRN BLASCHKE:
Kürzlich begann ich an dieser Stelle zu schildern, welche kulinarischen Ekligkeiten das sächsische Würstchen Karl May für seine Erzählungen, die teilweise im Osmanischen Reich verortet sind, erfand oder von anderen Erfindern abschrieb. Dabei hätte er die Fantasie gar nicht so bemühen müssen, bietet Kleinasien doch tatsächlich ausgesprochen eklige Speisen. Zum Beispiel „Kelle Paca“ – eine Suppe aus Schafskopf und Schafsfüßen. Ohne Füße geht auch: ein ganzer Kochkopp, serviert auf einem Bett aus Reis. In größerer Runde dürfen alle Mitesser das Fleisch vom Schädel kratzen und aufpicken, bevor das Gehirn herausgenommen wird, um es dem Familienoberhaupt oder einem Ehrengast darzubieten. Der Rest ist dann für den Rest. Im Übrigen sollte niemand hoffen, durch vehementes Ausschlagen von Einladungen dem Schafskopf entgehen zu können. Denn kalter Schafskopf ist in der Türkei so beliebt, dass er an fast jeder Straßenecke verkauft wird.
Doch jetzt endlich Schluss mit den Ekligkeiten, wollte ich doch die türkische Küche reinwaschen im Allgemeinen – und im Besonderen von den Lügen, die Karl May über sie verbriet. Der Einfachheit halber stelle ich deshalb einige meiner Lieblingsspeisen vor: Wenn ich türkisch koche, dann kommt auf jeden Fall als Erstes das auf den Tisch, was eben als Erstes auf den Tisch gehört: „Mezeler“ – Vorspeisen. Dabei gehören für mich zum Pflichtprogramm gefüllte Weinblätter, eingelegte Oliven, Schafskäse (manchmal mit Honig) – und auf jeden Fall Humus. Jetzt werden die einen nüggeln: „Wat? Der Türk isst Mutterboden . . . ?“ Andere kniepern wieder etwas schlauer: „Das ist doch eine arabische Vorspeise . . .!“ Und ich muss darauf erwidern: Stimmt beides nicht, ihr Kichererbsenzähler! Dieses herrliche, liebliche, streichzarte Püree wird in den türkischen Regionen, die an Syrien grenzen, nämlich ebenfalls geboten!
Wer Humus am heimischen Herd herstellen will, hat einiges zu tun: Die Kichererbsen müssen erst 24 Stunden lang eingeweicht und anschließend gekocht werden, bis dass sie ihre Hüllen fast von selbst fallen lassen. Wie gesagt: „fast“ – was bedeutet, dass man ihnen doch noch etwas nachhelfen muss. Anschließend werden sie passiert – also durch ein Sieb gequetscht. Leichter ist es allerdings mit Humus aus der Dose vom Türken ihrer Wahl. Egal für welche Art Püree sie sich auch entscheiden – naturblähend oder blechbüchselnd – beides muss (!) mit Zitrone, Knoblauch, Tahina (Sesamöl) sowie ordentlich Olivenschmier versetzt und schließlich mit allerlei Gewürzen wie Pfeffer, Salz und Kamun abgeschmeckt werden.
Niemand möge übrigens zu Humus Karl Mays „Tschekurdschek“ reichen, ein Gericht, das aussehen soll wie ein gutes Beefsteak, aber in Wirklichkeit nicht allzu fleischlich ist: „Heuschrecken werden geröstet, klein gestoßen und in die Erde gelegt, bis sie anfangen, zu riechen. Dann habe ich den Teig in Olivenöl gebraten.“ Das ginge wohl nicht mal runter, wenn im Hintergrund die Rolling Stones röhrten – mit dem Titel von ihrer Platte „Goat’s Head Soup“ – „Suppe vom Ziegenkopf“.
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